Michael Buchingers »albernes Hobby« hat 17.000 Likes auf Facebook. Er ist einer der bekanntesten Youtube-Vlogger Österreichs und könnte das schon bald zu einem Beruf machen.
Wie jede gute Geschichte beginnt auch diese mit einem schüchternen Jugendlichen, dem einfach sehr langweilig war. Wie uns »Super 8« und zahlreiche andere Hollywood-Filme lehren, ist Langeweile der allerbeste Anlass, um sich die Kamera von Papa zu schnappen und Videos zu drehen. Ein Junge namens Michael ergoogelte sich also die nötigen Skills und begann Freunden zuliebe, seine Versuche festzuhalten und nach einiger Überwindung ins Internet zu stellen. Von den Eltern indoktriniert, dass man dort nichts Persönliches preisgeben soll, nannte er das Gretl Productions. Dann passierte erst einmal nicht viel. Heute ist dieser Michael 20 Jahre alt, seine offizielle Facebook-Seite hat über 17.000 Likes, sein beliebtestes Video wurde über eine Million Mal auf Youtube geklickt.
Von Anal Del Rey zur Hass-Liste
Was dieser Michael in seinen Videos macht, kann man vielleicht unter dem schwammigen Begriff »Entertainment« einordnen. Zuerst waren es eher Parodien und kleine Sketches, die man sich am ehesten wie einen Hybrid aus Tohuwabohu und der amerikanischen Comedy-Show »Saturday Night Live« vorstellen kann: viel Trash, viel absurd. Michael als Lana Del Rey, die zur Melodie von »Video Games« den Text »Mein Name rückwärts ist anal, aber ich glaube, das ist dir egal« trällert. Michael als Bella Swan und Edward Cullen, die Nonsense-Dialoge von »Twilight« nachspielend. Mittlerweile hat sich Michael Buchinger zu einer Marke gemacht. Jetzt geht es in den Videos um eine überzeichnete, ironische Version seiner selbst. Nicht zuletzt deswegen verwendet er nun konsequent seinen eigenen Namen und tritt nur noch als Gretl Productions auf, wo er es nicht mehr ändern kann. Selbstinszenierung als Selbstzweck und Selbstläufer. Michael kocht, bäckt und bastelt, stellt Hass-Listen zusammen oder beantwortet Fragen seiner Fans. Wie so viele gute Satiren sind seine Videos oft Mediensatiren. Er ist einer bekanntesten Vlogger Österreichs, natürlich vollkommen selbstgelernt, natürlich von klassischen Medien ignoriert.
Glücklicher Zufall?
Ausschlaggebend für den Rummel um seine Person – oder besser Persona – war der Clip »Was wäre, wenn Facebook das reale Leben wäre«, der über den Umweg eines Jugenkulturpreises im Fernsehen landete und daraufhin in den sozialen Netzwerken weitergereicht wurde. Der Hype um Michaels Videos also nur glücklicher Zufall? Nein. Denn auch ohne das Besuchen von Social Media-Seminaren folgte Michael – bewusst oder unbewusst – der wichtigsten Regel, um erfolgreich im Internet zu sein: Aktualität. »Was wäre, wenn Facebook das reale Leben wäre« war Buchingers Antwort auf den Film »The Social Network«, der damals gerade heftig diskutiert wurde.
Die einfache Art, Aktuelles zu feiern, darüber zu spotten und sich dabei selbst nicht zu ernst zu nehmen, wird durch Michaels »Hass-Listen« fast schon auf eine Metaebene gehoben. Ähnlich wie die unzähligen Youtube-Videos, in denen Leute ihre liebsten Videos des Monats abhandeln – auch da redet das Medium wieder über sich selbst –, schildert Michael, was er im letzten Monat besonders gehasst hat. Dort lässt sich Michael dann eher über ziemlich allgemeine Phänomene wie die falsche Verwendung von Satzzeichen aus. Die Videos gewinnen dadurch noch einmal an Absurdität, nehmen unerwartete Wendungen, überraschen. Sie sind meistens angenehm kurz, unter fünf Minuten, und obwohl ja eigentlich nur eine Person dasitzt, die redet, außerordentlich kurzweilig. Das liegt am Schnitt, an der eingesetzten Musik und natürlich auch an Michaels Sprache, die zwischen fein artikuliertem Hochdeutsch und burgenländischem Dialekt wechselt.
Und – weil ja Youtube – seine Videos eignen sich für die Zigarette zwischendurch, oder man geht eben auf Klickorgie. Sie greifen Themen aus alten Episoden wieder auf, haben kleine Running-Gags, Charme und sind doch sehr eigen. Ein Gesicht haben sie sowieso. Ohne Michael die Fähigkeit der Reflexion und auch ein Kalkül in seiner Produktion absprechen zu wollen – denn beides hat er reichlich –, ist es dennoch die Arbeitsweise eines dieser vielzitierten Digital Natives, der mit dem Internet aufgewachsen ist und mehr durch Bauchgefühl und Erfahrung als durch Recherche weiß, was funktioniert.