Mit Lynch im Clinch

Ein Dokumentarfilm über David Lynch und Transzendentale Meditation droht den Meister zu entzaubern. Ist es nun der Künstler oder das Werk, das im Vordergrund stehen sollte? Bei David Sievekings "David Wants to Fly" spielt das eigentlich keine Rolle – denn beides ist etwas mau.

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(Prolog:) "Nein, ich bin nicht David Sieveking!", das Absurde springt einen manchmal einfach so an – unerwartet, aus dem Hinterhalt. Das ist wohl seine Art…

David Sieveking ist ein Deutscher "Jung-"Regisseur (Jahrgang 77), der beim Versuch seinem Idol David Lynch näher zu kommen, in tiefe Abgründe blicken musste. In "David Wants to Fly" nähert er sich jener sektenähnlichen Organisation an, der auch Lynch angehört – dennoch bleibt Sievekings Film ein Egotrip. Vielleicht erklärt diese Geschichte warum.

Dunst

Es war während der letzten Diagonale, dem Festival des Österreichischen Films in Graz, in einer Zeit voll mit Vormittagsvorstellungen und abstrusen Premierenfeiern, die die Frage aufwarf, was einen veranlasst hat sich hier reingeschmuggelt zu haben, nur um einigen B- und C-Schauspielern aus den USA beim Trinken zu zusehen. Immerhin waren die Drinks gratis.

In diesem Dunstkreis im vergangenen Frühling sollte ein rotnasiger Premierenfeiernbesucher eine erhöhte Aufmerksamkeit für David Sieveking und seinen Dokumentarfilm "David Wants to Fly" erwecken. Und zwar damit, dass er dem Autor dieser Zeilen eifrig händeschüttelnd zu dem Film gratulierte: "Sie sind doch David Sieveking, der Regisseur?"

Der auf dem Filmfestival anwesende Sieveking selbst musste gefunden werden um die Sache aufzuklären. Er ist ein exzentrischer Typ. Mantel und Hut wirken wie der klägliche Versuch eines Strebers so etwas wie Stil zu entwickeln. Gleichzeitig ist er anscheinend jemand, der seinem Gegenüber viel Projektionsfläche bietet und somit vielleicht in Gebiete vordringen kann, die anderen unzugänglich sind.

Angesprochen auf die Verwechslung, antwortete er nur mit einem verschmitztes Grinsen. Für mehr schien er keine Zeit zu haben. Er hetzte weiter. Sein Grinsen blieb allerdings – als wäre Sieveking eine Figur aus "Alice in Wonderland" – für eine Weile bestehen. Der reguläre Filmstart des Dokumentarfilms "David Wants to Fly" hat es – dieses Grinsen – nun zurück gebracht.

Künstler

David Sieveking wirkt wie ein unsicherer Typ, doch er ist offensichtlich ein Mensch, der sich gerne ins Zentrum seiner eigenen Welt stellt. Im detektivischen Stil, verstärkt durch entsprechende musikalische Untermalung, bewegt sich Sieveking als sein eigener Protagonist in "David Wants to Fly" in immer tiefere Kreise der weltweit agierenden Transzendentalen Meditation. Der urspünglich Anstoß gebende David Lynch wird hier zum Schergen, zur Promotionsfigur eines finanzkräftigen Imperiums, das auf dem Rücken nichtsahnender Kult-Anhänger gebaut ist.

Sieveking zeichnet andererseits ein teilweise fast schon mitleidiges Bild des Kults. Etwa, wenn junge Männer im Scheidersitz hopsend Hindernisse passieren, um ihrem Ziel – dem titelgebenden Fliegen – ein wenig näher zu kommen. Ein grotesker Höhepunkt des Films ist ein Gastauftritt von David Lynch in Berlin, bei dem er erneut als Werbefigur für die Transzendentale Meditation (TM) in Erscheinung tritt, um schnell dem Raja von TM in Deutschland das Wort zu übergeben.

Als dieser plötzlich von der nahenden "Unbesiegbarkeit Deutschlands" spricht, scheint die Ehrfurcht des Publikums vor Lynch gebrochen und die "Scharlatane" werden von der Bühne gebuht.

Und dennoch, dieser Film ist keineswegs anti-esoterisch. Spirituell Erfahrungen an sich kritisiert Sieveking nicht. Stattdessen konzentriert er sich darauf investigativ auf ein Thema einzugehen, das schon die Beatles und Donovan und schließlich auch David Lynch in sich aufgesogenhat.

…und Werk

Es ist schwer zu erraten, ob Sieveking wirklich erst – wie im Film suggeriert – David Lynch begegnen wollte und so auf TM gestoßen ist, oder ob TM von Anfang an das eigentliche Thema war. Dass Sieveking aber eine Obsession mit Lynch hat oder zumindest hatte, ist kaum zu übersehen. Nicht nur die Geschichte eines Mannes, der immer tiefer in ein Geheimnis gezogen wird deutete auf einen der größten Filme von Lynch hin. Selbst der Titel scheint eine Anspielung auf ein Zitat aus Blue Velvet zu sein und bei einem Interview mit Lynch vergleicht sich Sieveking sogar selbst mit Jeffrey Beaumont. Je intensiver Sieveking seinem Idol nacheifert, desto mehr löst sich das Bild auf, das er einst auf Lynch projiziert hatte.

Wer also David Lynch Fan ist, sollte bei diesem Film aufpassen, denn nur allzu schnell ist diese Person entzaubert. Wer aber bereit ist auf der Suche nach der Wahrheit – ganz im Sinne von Blue Velvet – auch unbequeme Konsequenzen zu ertragen, wird durchaus keine Zeit mit diesem Film verschwendet haben. Trotzdem bleibt "David Wants to Fly" weit entfernt von einem wirklich wichtigen Film. Dass er zwei Themen anspricht, die Aufmerksamkeit erzeugen (Entzauberung eines Genies und verschwörerische Sekten), kann nur schwer davon ablenken, dass wir hier ungewollt Zeugen eines Egotrips werden. Auch wenn Sieveking es dann doch schafft einen ordentlichen Spannungsbogen zu erzeugen.

Dennoch ist da das Gefühl, dass hier etwas nicht ganz koscher ist. Vielleicht liegt das daran, dass Sieveking künstlerisch wohl eher in der fiktionalen Erzählung angesiedelt ist. Hier versucht er kläglich einem journalistischen Dokumentarfilm dieses Gewand überzustülpen. Mit Sieveking verglichen zu werden ist jedenfalls in jeder Hinsicht nicht unbedingt ein Kompliment.

"David Wants to Fly" ist vergangene Woche regulär in Österreich angelaufen und ist zum Beispiel hier zu sehen.

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