In einem Angebotspapier an die neue Bundesregierung fordert der zuständige Fachverband der WKO zeitgemäße Rahmenbedingungen für die Film- und Musikwirtschaft. Mitautor Harry Fuchs über die zunehmend prekäre Einkommenssituation einer gesamten Branche, die Vision vom Musikexportland Österreich und darüber, was Schweden von ABBA gelernt hat.
Viele MusikerInnen arbeiten unter prekären Bedingungen – nicht zuletzt, weil die wenigsten auf ein regelmäßiges Einkommen zählen können. Hier wären vor allem langfristige Fördermaßnahmen gefragt. Sind solche zukünftig denkbar und was bräuchte es dafür?
Wir argumentieren auf Basis der Studien von Scheuch und des IHS schon seit Jahren unter anderem mit dem sozialpolitischen Aspekt. Mit dem Künstlersozialversicherungsfonds wurde ja ein erster kleiner Schritt gesetzt. Hier zeigt sich aber, dass dieser Fonds nicht in dem Umfang genutzt wird, wie es seine Dotierung hergibt. Das mag vielleicht daran liegen, dass sich seine Existenz noch nicht zu allen Musikschaffenden durchgesprochen hat. Ein Förderprogramm, das auf die Verbesserung der Lebenssituation der Kulturschaffenden abzielt, kann sich über viele Ebenen definieren: von einer Einzelpersonenförderung über strukturelle Maßnahmen bis hin zu Steuererleichterungen, wie es ja in anderen Ländern praktiziert wird.
Provokant gefragt: Warum lässt man nicht einfach den Markt entscheiden, welche MusikerInnen von ihrer Musik leben können und welche nicht?
Eine derartige Frage könnte für Förderungen in allen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen gestellt werden, entbehrt für mich aber jedweder Sinnhaftigkeit. Gerade in einem ausgewiesenen Musikland wie Österreich muss man darauf bedacht sein, einen Nährboden für zeitgenössisches musikalisches Schaffen aller Spielarten und Genres zu schaffen – auch für jene, deren kommerzielle Chancen geringer sind. Diese Frage steht außerdem in krassem Gegensatz zur vorangegangenen Frage die prekären Lebenssituationen betreffend.
Wie so oft gelten die skandinavischen Länder auch in Sachen Musikförderung als Vorbild. Was kann sich Österreich von diesen abschauen?
Schweden ist für uns immer das absolute Best-Practice-Beispiel für nachhaltige, effiziente Musikförderung. Das beginnt schon mit der Ausbildung in den Schulen; jedes Kind lernt ein Instrument, und um dies zu ermöglichen, wird unter anderem Instrumentenmiete gefördert. Menschen, die aktiv musizieren, entwickeln einen völlig anderen Zugang zur Musik an sich. Das heißt, sie sind an Neuem interessiert und sie können eine musikalische Leistung wertschätzen. In Schweden sieht man sich gerne Konzerte junger, neuer Acts an und ist bereit, dafür auch Eintritt zu bezahlen. Nach den Erfolgen von ABBA hat Schweden erkannt, dass es sich bei Musik um einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor handelt, und hat in diesen unter anderem mit massiven Exportmaßnahmen investiert. Resultat ist, dass Schweden heute ein Musikexportland ist, das den Weltmarkt mit Copyrights dominiert. Österreich hingegen genießt zwar den Ruf eines Musiklandes, ist wirtschaftlich gesehen jedoch ein Musikimportland. Aber in einigen Bereichen gilt auch die Musikförderung Österreichs als Vorbild. Zum Beispiel wurde der Musikfonds als damals europaweit einzigartiges Public-private-Partnership-Modell gegründet, das kurz darauf mit der Initiative Musik ein Pendant in Deutschland gefunden hat; Vertreter der Initiative Musik waren bei uns, um sich Ratschläge für ihre Gründung zu holen. Und vor einiger Zeit hatte ich ein Gespräch mit der deutschen Kulturministerin Monika Grütters und habe ihr unser Musikfonds-Modell vorgestellt. 2017 war Grütters dann maßgeblich an der Gründung des deutschen Musikfonds beteiligt.
Trotz guter Wirtschaftsdaten deutet sich ein Sparkurs der zukünftigen Regierung an. Verhandlungen rund um Förderungen im Kulturbereich werden voraussichtlich nicht einfach. Was sind die wichtigsten Argumente, um die politischen Entscheidungsträger zu überzeugen?
Musikförderung beinhaltet zwei wesentliche Elemente: Kunst- und Kulturförderung sowie Wirtschaftsförderung. Diese beiden Bereiche unterscheiden sich teilweise in der Argumentation, haben aber auch gemeinsame Schnittmengen. Eine entsprechende Wirtschaftsförderung stärkt die BranchenteilnehmerInnen mittelfristig, damit sie sich international konkurrenzfähig entwickeln und sich selbst tragende Geschäftsmodelle entstehen können. Nur durch ein Bekenntnis zur Kunst- und Kulturförderung kann sichergestellt werden, dass heimisches Musikschaffen und Musikproduktion auch weiterhin qualitätsvoll möglich ist. Und dass Österreich dadurch seinem Ruf als Musikland nicht nur in Hinblick auf das klassische Repertoire, sondern vor allem auch mit dem aktuellen Schaffen aller Genres – von der ernsten und zeitgenössischen Musik, über Jazz, World und alle Spielarten der populären Musik bis hin zur experimentellen Musik und Avantgarde – gerecht werden kann. Über all unseren Aktivitäten steht dabei die große Vision, Österreich langfristig von einem Musikimport- zu einem Musikexportland zu machen.
Harry Fuchs ist seit dessen Gründung im Jahr 2005 Geschäftsführer des Österreichischen Musikfonds, einer Initiative zur Förderung professioneller österreichischer Musikproduktionen, die derzeit mit 920.000 Euro jährlich dotiert ist. Als Public-private-Partnership wird der Musikfonds finanziert vom Bundeskanzleramt sowie von Institutionen wie AKM, Austro Mechana, IFPI, dem Fachverband Film und Musik und dem ORF.