Oh, du rasender Dandy

Pete Doherty hat auch als französischer Dandy keine Manieren. Aber hey: Jeder der genau das von anständiger Rockmusik fordert, muss schon ein ziemlicher Spießer sein oder? Fotograf Niko Ostermann und Autorin Franziska Tschinderle sind keine.

Der Pete Doherty hat einen Mikrofon-Verbrauch: Nicht weniger als drei davon pfefferte er gestern in das Wiener Publikum im Gasometer – eines nachdem er es zum Singen in den Mund steckt. Selbst wenn Riesen die Sicht versperren, hört man das Unheil verkündende "Klonk" immer wieder. Die Fans lieben Pete immer noch. Die England-Flagge sollten sie trotzdem lieber wegstecken: Doherty ist jetzt französischer Dandy.

Die ewige Frage, ob Doherty jetzt zugedröhnt ist oder nicht, ist langweilig geworden. Ob er sich in der etwas frechen 20-minütigen Pause nach nur einer Handvoll Nummern etwas einwirft oder einfach nur darauf wartet bis die Menge da draußen vom "Pete Pete Pete Pete" schreien ganz heiser wird – egal, die Musik stimmt. Die Ausraster sind vielleicht nicht mehr so exzessiv wie damals als Libertine.

Der Anfang mit "Delivery", dann "Nothing comes to nothing" und das vorprogrammierte Highlight am Ende namens "Fck Forever" dröhnt im Gejohle, wird getragen von einem Meer aus Händen. Wer nicht durch sein Smartphone glotzt, sieht, dass nicht nur Mitt-Zwanziger, sondern auch auffallend viele – wie sagt man das jetzt angebracht – äh, Vertreter der Generation meiner Eltern gekommen sind.

Es ist unnötig Doherty analysieren zu wollen, war es bei seinem Film-Debüt "Confession of a Child of the Century" schon. Die Rolle des Octave war ihm auf den Leib geschneidert, er hat sich vor allem selbst gespielt. Wettert man gegen seine angeblich schlechte Schauspielkunst, wettert man vor allem mal gegen ih selbst. Und diese Leute bleiben bei Babyshambles-Konzerten ja bekanntlich sowieso daheim.

Der Pianist entpuppt sich zwischendurch als radikaler "mit der Hand drauf"- Tasten-Malträtierer, packt in den dubbigen Stücken die Posaune aus und kann außerdem Mundharmonika spielen.

Wenn Doherty dann als Zugabe mit freiem Oberkörper und Partyhut am Kopf eine Minute am Klavier klimpert und ohne große Schuldgefühle verschwindet, tobt die Menge. Er hat halt einfach keinen Bock mehr. Sie werfen ihre Unterwäsche und Bierbecher nach ihm, er antwortet mit dem x-ten "Klonk", will dann noch die Gitarre nachwerfen, hätte ihn der Tontechniker nicht daran gehindert. Vor einer Indie-Rock-Legende wie Doherty verschwimmen die Kontraste der Band irgendwo im Hintergrund.

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