Partybook

Politik auf Facebook ist in Österreich eine ziemlich große Baustelle, insbesondere Parteien fehlt eine erkennbare Strategie. Eine Analyse in fünf Akten.

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1) Die Strategie

Fast allen fehlt der Masterplan. So viel kann nach Gesprächen mit den meisten Social-Media-Beauftragten der politischen Parteien festgestellt werden. Auf Facebook sind sie zwar alle, wer aber erreicht werden und was das vor allem bezwecken soll, kann niemand so genau sagen. Emotionalisierung? Themensetzung? Mobilisierung? Empowerment? Gratis-Sticker-Verteilaktionen? Oder etwa gar kurzweilige Postings mit ernstem Hintergrund? Parteien sind im sozialen Netz merkbar orientierungslos. Besonders im internationalen Vergleich wirkt Österreich noch wie ein Entwicklungsland.

2) Der Inhalt

Trotz der spürbar fehlenden Ziele lassen sich Tendenzen feststellen. Die Palette der Möglichkeiten wird nur ansatzweise ausgeschöpft. Viel wäre denkbar: Umfragen, Links zu bemerkenswerten Videos, Infografiken, alltagspolitische Videos, aktionistische Katzen oder herbe Kritik an den Regierungsparteien. Wir haben die einzelnen Parteien näher betrachtet: Welcher Posting-Typ bist du?

SPÖ – Die Braven:

Von 19 Facebook-Posts der SPÖ in den ersten drei Februar-Wochen sind sechs Verlinkungen zu eigenen Artikeln auf spoe.at, acht Links zu externen Artikeln in österreichischen Medien, der Rest Fotos und ein Bashing in Richtung Kärntner Korruption. Der Tonfall ist sehr sachlich gehalten, Absender ist keiner erkennbar. Facebook wird hier eher als ein weiterer Sender für Parteimitteilungen verstanden denn als Sprachrohr in beide Richtungen. Erreichbar war übrigens auch keiner, der Zuständige, Oliver Wagner, war zu beschäftigt.

ÖVP – Die Faden:

Ein Zeitungsartikel hier, eine Ankündigung eines TV-Auftritts eines Parteimitglieds da, Fotos von Spindelegger in Saudi Arabien. »Unsere Kommunikation in Social Media ist stark auf den Kanal ausgerichtet, wir setzen die Themen anhand des Echos, das von den Leuten kommt«, erklärt Gerhard Loub. Das ist aber noch Zukunftsmusik: Oft folgt eine unpersönliche Verlautbarung der nächsten. Man ist eben auf Facebook, mehr auch nicht.

FPÖ – Der Ausreißer:

Die FPÖ fällt aus der Reihe. Die rechte Partei ist auf Facebook eine einzige Person: Heinz-Christian Strache. Joachim Stampfer, verantwortlich für die FPÖ-Bundeskommunikation, weilte 2008 im Urlaub, als sein Chef meinte, er brauche sofort eine Facebook-Seite. Fünf Jahre später ist man bei rund 126.000 Fans angelangt. »Strache wollte das von Anfang an selbst betreuen und das macht er auch«, erzählt Stampfer. Dass die Strache-Page so viele Fans hat, liegt nicht zuletzt am Inhalt: Der ist nämlich persönlich und authentisch, wie vor Kurzem auch Benedikt Narodoslawsky auf seinem Blog dernaro.at treffend analysiert hat.

BZÖ – Die unerhörten Streber:

Die Orangen warten mit jeder Menge Stoff auf einer »BZÖ Informationsseite«, auf regionalen Seiten und Josef Bucher-Channels auf: »Wir sehen Social Media nicht primär als absolutes Wahlkampfinstrument für die Massen, sondern auch als Mobilisierungsmittel für die eigenen Leute – diejenigen, die uns unterstützen«, so Bundespressesprecher Heimo Lepuschitz. Es wird fast stündlich gepostet, auf starke Bildsprache und Multimedialität gesetzt. Inhaltlich könnte man das durchaus vorbildhaft für eine Partei nennen. Wäre da nicht das Problem, dass das BZÖ kaum Fans hat.

Die Grünen – Die Lustigen:

Die Grünen versuchen die Like-Kultur von Facebook zu nutzen: »Wir wollen dem Publikum das bieten, was es haben mag, und das darf unter anderem ruhig auch lustig sein. Wir haben da in Social Media inhaltliche Freiheit«, erklärt Jan Autrieth von den Grünen. In der Praxis ist das dann auch mal ein Peter Pilz mit blonder Perücke oder Infografiken mit Servicecharakter. Dem Publikum gefällt das relativ oft.

Weiter zu den kleineren Parteien, zu Reichweite, Interaktion und Organisation auf der nächsten Seite.


Piraten, NEOS, Team Stronach, KPÖ – Die hurtigen Quereinsteiger:

Die kleineren Parteien versuchen engere, thematische Akzente zu setzen. Alexander Kühne, Piraten: »Wir posten hauptsächlich zu Themen wie Datenschutz und generellen Online-Debatten, weil die gerade im Netz ganz gut funktionieren«. Michael Horak, NEOS, meint: »Uns ist es wichtig, die anderen Parteien nicht anzuschwärzen. Das ist nicht unser Stil. Thematisch ist einer unserer Schwerpunkte Transparenz.« Quereinsteiger Team Stronach fährt gut mit populistischen Postings in plakatähnlicher Form, stets ist Frank Stronach zu sehen. Damit hat die Page mehr Interaktion als die meisten. Die KPÖ rückt ihr Team in den Vordergrund, hat aber ein Reichweiten-Problem.

3) Die Reichweite

Ja, Österreich ist klein. Das kann gerade in Social Media im Hinblick auf Fanzahlen ein Problem sein. Immer wieder lässt sich beobachten, dass Leute das Thema Politik aus dem Freundeskreis auf Facebook gezielt heraushalten wollen. Die Zahlen sind bei der Gesamtzahl an Menschen, die von Politik direkt betroffen werden (in Österreich: alle acht Millionen) dennoch enttäuschend.

Jan Autrieth von den Grünen: »Wir versuchen natürlich, auf Facebook so viele Leute zu erreichen wie möglich.« Wenn man nicht gerade H.C. Strache heißt oder sich Fans kauft, ist das mit der Reichweite gar keine so leichte Sache. Die Parteien haben nämlich alle die goldenen Zeiten, in denen Fangenerierung auf Facebook noch etwas leichter war, verschlafen. Strache mit der persönlichen Page ausgenommen. »Viele Fans sind aber nicht das einzige«, meint Gerhard Loub (ÖVP). Und zumindest das Politometer gibt Loub recht: Das Team Stronach steht dort meistens auf der Eins, weil auf deren Seite viel Interaktion stattfindet. Ob gute oder schlechte Rückkopplungen, das sagt das Politometer nicht.

4) Die Interaktion

Interaktion auf Facebook ist mit Sicherheit eine der größten Baustellen heimischer Parteien. Für die Artikelrecherche sollte an einem Sonntagabend auf allen Partei-Pinnwänden eine simple Frage gestellt werden. Bei SPÖ und KPÖ ist diese Funktion deaktiviert, private Nachrichten waren immerhin möglich. Bei Strache ging nicht einmal das. Von den anderen antwortete nur Neos innerhalb der nächsten 15 Stunden. Nach Anrufen bei allen Parteien antworteten BZÖ, Piraten, KPÖ und ÖVP. Von SPÖ, Team Stronach und Grünen kam bis Abgabeschluss nichts.

Eine Stichprobe wie diese kann zwar auch dem verlässlichsten Community-Manager ein Hackl ins Kreuz hauen, das Beispiel zeigt aber: Facebook wird hauptsächlich als Sendekanal gesehen. Mit seiner Personenseite beweist Strache zwar, dass es auch ohne diese Kontaktpunkte geht, ob man sich diese Haltung als demokratische Partei leisten kann, darf allerdings ernsthaft bezweifelt werden.

5) Die Organisation

Auffallend ist, wie unterschiedlich die Parteien mit der Konzentration auf Personen oder Parteien umgehen. Die Piraten etwa legen den Fokus auf regionale und überregionale Seiten (Piratenpartei Kärnten, Piratenpartei Österreich). Während am anderen Ende die FPÖ auf eine einzige Person setzt, haben allen anderen sowohl Personenseiten als auch regionale und überregionale Seiten. In Summe ergibt das zwar auch einige Fans, zersplittert aber die Kommunikation in kleine Teile.

Ausschließlich für Facebook ist dabei niemand abgestellt. Stattdessen werden Teams auf Stundenbasis oder Kommunikationschefs eingesetzt.

Unterm Strich

Vor allem die ehemaligen großen Volksparteien ÖVP und SPÖ sind auf Facebook noch weit von ihren Wählern entfernt. Während die anderen experimentieren (Piraten, BZÖ, KPÖ) und teilweise schon recht professionell agieren (Die Grünen, Team Stronach, Neos), holt sich Strache alle Likes. Der Kaiser von Facebook, Barack Obama, war mit dieser Ein-Personen-Strategie bereits zweimal höchst erfolgreich. Nur seinem parteiinternen Nachfolger wird das wenig bringen.

Das Politometer misst seit Ende 2012 den Eindruck, den die Politsphäre im sozialen Web hinterlässt, nach einem Algorithmus, der Fans, Followers, Einkreisungen und Interaktionen auswertet. Neben einer Gesamtübersicht kann dort nach Parteien, Politikern, NGOs, Medien, Journalisten und Bürgern gefiltert werden. Auf thegap.at werden diese Entwicklungen wöchentlich im neuen Politometer-Blog beobachtet.

www.politometer.at

www.thegap.at/politometer

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