Patrick Swayze, die männliche Nutte

Dirty Dancing ist 25 Jahre alt. Ritchie Pettauers Text über Dirty Dancing ist 10 Jahre alt. Und, tja, beide sind noch so aktuell wie damals.

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Medien müssen heutzutage alles leisten. The Gap zählt indes zur Spezies der Spezialisten, die per definitionem nicht alle Bedürfnisse befriedigen. Damit sind wir genau am selben Punkt wie Ned Flanders, den Homer Jay Simpson in "The Weed Homer" fragt: "Can Jesus microwave a burrito so hot that even he himself could not eat it?"

Oder anders gefragt: "Can we make a magazine so slightly out of tune that even we ourselves can’t read it?" Um jene quälende Frage aus unseren Systemen zu spülen, entstand quasi diese Kolumne. Die alles üben kann. Von Kritik über Yoyo-Spielen bis Breakdance Moves. Lektionen in demütiger Reue. Eine Entschuldigung an den Cortex des Lesers und eine Faustwatschn an seine rechte Wange. Bei uns bekommen Sie alles aus einer Hand.

1. Kulturelles Welterbe der Menschheit bedarf zumindest in einigen Fällen dringender Re-Evaluation. Dirty Dancing etwa: jener Film, dessen Wirkungskreis seine Hauptdarsteller inzwischen so weit hinter sich gelassen hat, dass man seinen Namen in Kolumnen wie dieser nicht einmal unter Anführungsstriche zu setzen braucht. Dessen Titel gar zur geflügelten Bezeichnung wurde für sozial verträgliches Rebellentum. ("Schau dir den Typen da drüben an. Der zersticht gerade die Reifen seines eigenen Wagens. Das ist aber ein Dirty Dancer!") Dessen Soundtrack heute noch in Kasachstan eingesetzt wird, um bei den dort heimatlichen Wolltanzlamas eine rasche Paarung zu erzwingen. Kurz: ein Film, der seine eigene Legende bei wiederholter Gelegenheit locker in der Außenkurve überrundet hat. Und Generationen getäuscht, bis aufs Blut. Unstimmigkeiten über Unstimmigkeiten.

So erzählt Patrick seinem Baby, dass ihm pro Tag mindestens drei weibliche Gäste des Etablissements ihren Zimmerschlüssel in die Hand drücken. Was er dort tut, bleibt der Phantasie des Sehers nur zu geringen Teilen überlassen: "Diese Frauen riechen so gut und haben alles. Ich konnte nicht widerstehen." Klarer wird Swayzes Nebenprofession als männliche Nutte (Copyright: Tobias Moretti in "Die Piefke Saga") dann noch am Ende des Films, als ihm jener Poker spielende Ehegatte etliche Dollars zusteckt, auf dass er seiner Angetrauten am Wochenende "Sondertanzstunden" geben möge.

Nun, es steht mir gewiss nicht zu, moralische Urteile über Tanzlehrer der 50er Jahre zu fällen (oder etwa doch?), doch rechnen mir mal nach: die ganze Saison lang drei Frauen pro Tag, macht drei Monate mal dreißig Tage mal drei Frauen, ergibt über den Daumen gepeilt 270 Dates. Wollen wir weiter annehmen, dass jede der Damen sich zumindest mit einem geringen Trinkgeld von 10 Dollar begnügt, und das ist für die Liebesdienste unseres Protagonisten wohl sehr tief gegriffen, so ergibt dies stattliche 2.700 Dollar zusätzlich zur regulären Bezahlung. Kost und Logis sind frei im Ressort. Nehmen wir nun mal an, dass Patrick nicht der einzige ist, der seine Gage auf diese Weise aufbessert. Rufen wir uns weiter ins Gedächtnis, dass DD gegen Ende der Saison spielt. So. Kann mir jetzt mal jemand erklären, wieso zwanzig Tanzlehrer am Beginn des Films keine 250 Dollar zusammenkratzen können, um Patricks Tanzpartnerin die anscheinend dringend benötigte Abtreibung zu bezahlen? Eben. Und jetzt sagt mir, dass ihr Dirty Dancing jemals wieder mit denselben Augen sehen könnt. Oder Patrick Swayze.

2. Politische Bildung zum Beispiel darf neben kulturellem Brainfood in dieser Kolumne nicht zu kurz kommen: Wir alle sind längst schon viel zu überrascht vom Wahlergebnis, als dass tiefer schürfende Analysen zum jetzigen Zeitpunkt noch denkbar wären. Eines jedoch können wir euch versichern: Alles wäre ganz anders ausgegangen, hätten die werten Spitzenkandidaten in ihrem Wählverhalten etwas mehr Überzeugung an den Tag gelegt, doch dem schien in unserer vorwahllosen Umfrage keineswegs so. Alle Zitate hat das mit The Gap befreundete Meinungsforschungsinstitut Obskuras am 22. Oktober erhoben. Gusenbauer: "Ich wähle Grün, weil dieses Land nichts dringender braucht als einen Linksruck." Schüssel: "In den Liberalen sehe ich eine konstruktive Kraft und einen potenziell starken zukünftigen Koalitionspartner." Haupt: "Mit dieser FPÖ kann sich nur ein Grasser infizieren. Aus Protest wähle ich die ÖVP." Van der Bellen: "Ich wähle für eine Regierung mit SPÖ-Beteiligung!" Der Jesionek: "Ich wähle die Partei, die nie im Fernsehen zu sehen ist!" Wen wundert da noch irgendetwas, wenn sich in den Koalitionsverhandlungen jeder alle Optionen offen halten möchte?

3. Ein Blick auf zukünftige Wörter ist ein Blick auf die Zukunft des Wortes. Ein Blick auf die Zukunft des Wortes aber ist ein Blick auf die Zukunft, denn war am Anfang nicht das Wort? Darum am Ende einfach Wörter, oder wie A-Schicht-Leser sagen: Worte, denen eine glänzende Karriere bevorsteht:

Pimparazzo – Zuhälter, der regelmäßig seine Prominentenfotos an Hochglanzmagazine verscherbelt.

Individualseuche – (1) auf das Genom eines bestimmten Menschen abgestimmter biologischer Kampfstoff. (2) Bezeichnung für ein soziales Phänomen, häufig von Zeitungsherausgebern im Zusammenhang mit dem Internet verwendet.

Simulanz – virtueller Krankentransport.

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