Der Graffitizug ist abgefahren. Endstation Galerie. Warum das kein Problem ist, Behördenwege aber schon und wie es ist, einem Tier die Haut abzuziehen, erklärt der Street-Artist und Gründer des Rabbit Eye Movement Nychos im Interview.
The Gap: Du bist heute als Graffiti-, Streetartist und Illustrator unterwegs. Wie ist das in deiner persönlichen Entwicklung zusammen gekommen?
Nychos: Was ich gemacht habe war immer schon ziemlich character-lastig und ich wollte immer schon Geschichten erzählen. Das Arbeiten auf der Straße hat sich mit dem Illustrativen vermischt und heute unterscheide ich nicht mehr zwischen Graffiti, oder Streetart. Natürlich mache ich mittlerweile oft weniger mit Text, aber das war eher ein fliesender Übergang. Je nach Spot machen für mich phasenweise auch Buchstaben noch Sinn. Ein wahnsinnig aufwendiges Anatomie-Piece kann man zum Beispiel aus einem Zug heraus, der schnell vorbeifährt nicht wahrnehmen.
Auf Züge zu malen ist wiederum ein Klassiker der Graffiti-Kultur. Viele Streetartists, die zur Zeit in Galerien hängen, haben sich davon eher verabschiedet. Siehst du in deinen Arbeiten besonders dominante Graffiti Züge?
Nychos: Die Leute denken noch zu verkrampft in Graffiti vs. Galerie. Sicher, ein Schriftzug auf einer Leinwand funktioniert in einer Galerie nicht. Ich finde aber, dass der Style immer noch der gleiche sein kann. Bei vielen sehe ich aber auch das Problem, dass sie für die Galerie komplett anderes malen, als auf der Straße. Man merkt aber, wenn jemand sehr verkrampft weit weg ist von sich selbst. Ich bin über die Jahre vielleicht ein bisschen streng geworden. Für mich persönlich ist es aber einfach wichtig, dass ich mit meinem Zugang beides machen kann.
Die Sujets, für die du berühmt geworden bist beschäftigen sich mit der Anatomie von Tieren, Menschen und Cartoon Figuren, wie kam es dazu?
Nychos: Die anatomischen Themen haben mich schon vor meiner Graffiti Zeit beschäftigt.
Ich komme aus einer Jäger-Familie. Eingeweide zu separieren und die Haut abzuziehen war als Kind eine prägende Erfahrung. Es war Teil meiner Erziehung. Ich habe viel Angst vor der Auseinandersetzung mit dem Prozess des Todes ansich verloren und gemerkt, dass es bei fast jedem Tier ähnlich aussieht. Dann kam meine Illustratoren- und Comiczeit und ich habe eine Brücke gesucht, zwischen Comic-Charactern und einer organischen Funktionalität, die bei einem Comic-Character oft gar nicht wichtig ist. Ein logisches, organisches Konstrukt im Pikachu anzudenken fand ich weird und interessant zugleich und an einem gewissen Humor darf es natürlich nicht fehlen. Darauf bin ich hängen geblieben, weil es so viele Möglichkeiten gibt, das Thema weiter zu entwickeln.
Ist es in der historischen Wiener Bausubstanz schwerer als in anderen Städten gute Spots zu finden?
Nychos: Ich habe mir auch immer gedacht, dass in Wien eigentlich nicht viel Platz ist. Aber wenn man mal aufmerksam durch die Stadt geht, dann erkennt man ein riesiges Potential für großflächigen Muralism. Es gibt extrem viele fensterlose Feuerwände, die einem nicht gleich auffallen. Es ist eben sehr schwer eine Feuerwand zu organisieren. Du musst hier von der Stadt, vom Bezirk, von sämtlichen Besitzern im Haus und von zig Magistratsabteilungen eine Genehmigung holen. Ich hoffe aber, dass sich das zukünftig verändern wird, da sich momentan in Wien viel tut und Kunst und Kultur im öffentlichen Raum mehr und vor allem eine neue Bedeutung entgegen gebracht wird.
Anmerkung: Dies ist die korrigierte und autorisierte Fassung des Interviews. Abgedruckt wurde die erste Fassung des Interviews (Nychos was not amused), die hier zum Abgleich zu sehen ist.
i>Mehr zum Thema Graffiti vs. Galerie sowie das Interview mit Margit Mössmer.