Realsatire mit Stil

Daniel Hoesl plädiert für ein unabhängiges, progressives und amüsantes Autorenkino, das mit wenig Mitteln viel erreicht. Noch bevor Haneke und Waltz ihren Oscar-Schatten werfen konnten, hat der Österreicher mit seinem Debütfilm »Soldate Jeannette« die USA begeistert.

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Daniel Hoesl ist vom europäischen Autorenkino gelangweilt, solange es keine Position bezieht. Sein »Soldate Jeannette« ist ein politisches wie künstlerisches Statement gegen Herrschaft und die Macht des Geldes. Nachgelesen hat Hoesl bei den französischen Intellektuellen Gilles Deleuze und Jean Baudrillard. Die Philosophie des Kinos von Deleuze hat ihn zu Jean-Luc Godard, Robert Bresson und vor allem Alain Resnais geführt. »Das sind alles Filme, die vor meiner Zeit gemacht wurden, aber ästhetisch viel progressiver sind als heutiges Autorenkino«, ist der 30-Jährige überzeugt. Anfang des Jahres feierte Hoesls »Soldate Jeannette« Premiere auf dem begehrten Filmfestival in Sundance. Es dorthin zu schaffen, ist eine bedeutungsvolle Ausnahme für Österreich. Wer in Utah präsentiert, ist auf einmal im internationalen Independent-Film angekommen. Genau das ist ihm gelungen. »Die Leute waren regelrecht euphorisch«, berichtet er. Kontakte wurden geknüpft und vertieft – »Sundance war eine extreme Hilfe für unseren Film«. Nur wenige Wochen danach wurde ihm beim Filmfestival Rotterdam der Tiger Award verliehen. Weitere Festivaltermine folgen, weitere Auszeichnungen sind absehbar.

Das Produktionsbudget umfasste rund 65.000 Euro, Drehbuch gab es laut Hoesl keines. Die Story sei peu à peu um die Biografien der Akteurinnen herum entwickelt worden. Dokumentarisch durchdringen diese die Handlung: Schauspielerin Johanna Orsini-Rosenberg hat adelige Wurzeln und verkörpert in »Soldate Jeannette« die großbürgerliche Fanni. Sie beginnt, radikal aus ihrem Alltag auszubrechen, der von ihrem Wohlstand diktiert wird. Christina Reichsthaler spielt die auf einem Bauernhof arbeitende Anna. Nach ihrem Studium der Multimedialen Künste hat sie selbst auf einem Biohof gejobbt. Auch ihre Figur will aus den Zwängen ihrer Provenienz ausbrechen. Die beiden treffen aufeinander, nachdem Fanni aus Wien flüchtet, einen Jaguar klaut und damit im niederösterreichischen Hinterland strandet. Sie arbeitet am Hof von Anna, bis beide sich solidarisieren und ausbrechen.

Scharfsinnig scherzen

»Soldate Jeannette« ist durchtrieben, emanzipatorisch, bildgewaltig und sehr amüsant. Der Hang zum französischen Autorenkino ist manchmal etwas überdeutlich erkennbar. Auch die Grenze zwischen Sujets und Klischees verschwimmt bei Hoesl gelegentlich (wenn etwa tausende Euros im Lagerfeuer brennen). Doch eindrucksvoll bleiben die absurden Handlungen und romantisierten Bilder dennoch. Kameramann Gerald Kerkletz leistet außergewöhnliche Arbeit. Er macht »Soldate Jeannette« zu einem aufregenden Tableau-Mix: aus rauschender Fabel und schmuckloser Realsatire. Der meinungsstarke Soundtrack von Bettina Köster, Gustav verzerrt die Kinoillusion und passt zur scharfsinnigen Montage. Der Film ist der künstlerisch und humoristisch anspruchsvolle Kommentar auf ein Patriarchat im Hamsterrad. Diesen frischen Tritt in die Hoden kann dieses – auch im Blitzlicht der österreichischen Oscars – sehr gut gebrauchen.

Jenseits von Ulrich Seidl

Hoesl war zuvor Regie-Assistent von Ulrich Seidl (»Paradies-Trilogie«). Er will gegen den Status Quo aufbegehren: »Einen Film zu machen, ist nicht so schwierig. Das Schwierige ist das kafkaeske Schloss, das einem gegenübersteht, wenn man die Rahmenbedingungen anerkennt.« Dramaturgen, Jurys und Fernsehsender würden einen zu Kleinholz machen wollen. Ein solches System »zerstört natürlich jede Kunst und jede Position und jeden frechen Kommentar«. Er und seine European Film Conspiracy wollen sich von diesen Bedingungen weiterhin freimachen. »Soldate Jeannette« sei erst der Anfang.

Er will auch in Zukunft kleine Filme mit großem Effekt machen. Wären nicht kopierrechtlich geschützte Filmausschnitte wie die Referenz zu »Vivre sa vie« (1962) von Godard im Film, gäbe es »Soldate Jeannette« auch über Creative Commons frei im Internet, so der Regisseur. Denn um das »lächerliche Geld« gehe es ihm nicht. Daniel Hoesl will Unabhängigkeit und ein breites, kritisches Publikum, das sein Autorenkino zu schätzen weiß und mit ihm lacht.

»Soldate Jeannette« wird bei der Diagonale in Graz (12.–17. März) zu sehen sein.

Bild(er) © www.soldatejeanette.com
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