Melancholia

Planet Tristesse
Lars von Triers neuestes Werk »Melancholia« funktioniert die Abgründe des menschlichen Gemüts zum Schutzschild gegen die Realität um. Wer vom Schlimmsten ausgeht, hat zwar Recht, bleibt aber cool.

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Nach Willem Dafoe (in »Antichrist«) und Bryce Dallas Howard (in »Manderlay«) holt sich Lars von Trier zum dritten Mal jemand aus der »Spider-Man«-Franchise in die Hauptrolle eines Films. Kirsten Dunst spielt die schwer depressive Justine, deren Melancholie sie auffrisst, ebenso wie der titelgebende Planet allegorisch auch die Erde. Die Zerstörung scheint unausweichlich, ein jähes Ende ist absehbar, vielleicht sogar erwünscht.

Kapitel eins: Justines Hochzeitsfeier zieht sich mühselig und problembeladen dahin. Die Unmöglichkeit zur Freude hindert sie am Funktionieren und erschwert ihr die Rituale der Feierlichkeit. Ihren neuen Gatten (Alexander Skarsgård) muss sie schließlich noch am gleichen Abend einbüßen. Kapitel zwei: Claire (Charlotte Gainsbourg), die ihre mittlerweile gänzlich außer Gefecht gesetzte Schwester Justine fürsorglich zu sich nimmt, kämpft mit der Angst vor dem Weltuntergang. Der blau leuchtende Planet Melancholia umkreist die Erde in einem Todestanz und raubt der Menschheit buchstäblich den Atem. Die Kollision ist imperativ und Melancholia verschlingt die ganze Welt. Dieser kosmischen Perspektive scheinbar zuwider beschränkt sich »Melancholia« auf die hermetisch abgeschlossene Welt von Claires Anwesen: Leere und Stille herrschen hier vor und beschweren dumpf den Alltag. Synchron dazu wächst die undurchdringliche Blase der Depression, in der Justine sich befindet, und die zugleich zum Schutzschild vor den Widrigkeiten der Realität wird.

»Melancholia« ist nicht als Gegenentwurf zu Apokalypse-Filmen zu sehen, sondern skizziert vielmehr das Menschliche selbst als Katastrophe. Von Triers Perspektive auf die Depression ist die der Innenansicht: Seine Maßnahme zur Bewältigung der eigenen Krankheit und Aufarbeitung eigener Angstzustände durch magische Rituale sind ebenso Teil des Films wie die Frage, wo die Grenze zwischen Depression und Realismus liegt.

Das finale Bild trifft in seiner Ikonografie übrigens durchaus den Hipster-Zeitgeist: Ein indianisch angehauchtes Dreieck vor der Kulisse eines riesigen, funkelnden Planeten. Na bitte.

Anm. d. Red. 14.10.2011: In der Printausgabe wird angegeben, Kiefer Sutherland würde den Bräutigam spielen. Dieser Fehler der Redaktion wurde auf Hinweis der Autorin korrigiert.

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