Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes

Clemens J. Setz hat es vom Residenz-Autor und Geheimtipp in Insiderkreisen zum Suhrkamp-Autor und Preisträger im medialen Rampenlicht gebracht. 18 Erzählungen enthält das von der Leipziger Messe prämierte Buch mit dem ungewöhnlich unspektakulären Titel.

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Für alle Geschmäcker etwas aber für viele wohl etwas zu starker Tobak. Warum eigentlich? Weil sie die Realität, die sie in diesen Geschichten vor Augen geführt kriegen, nicht ertragen? Weil seine Metaphernauswahl so ungewöhnlich und seine Beobachtungsgabe so unerhört genau ist? Weil es viel zu viel um Gewalt, Sex und Einsamkeit geht? Weil man sich zu wenig unterhalten und zu sehr ertappt fühlt? Oder bloß weil dieser Setz zu jung ist, um so gut zu sein? Wie auch immer. Wie immer bestechend sind die Dialoge, aus harmlosen Beziehungsgeplapper entwickeln sich ganz nebenbei wahre Schauergeschichten, vermeintlich Bedeutungsloses wird zunehmend gravierender. Im Spannungsaufbau und in der Zuspitzung hat der Großmeister alle Zügel fest in der Hand und seine Figuren hat er dermaßen lieb, dass er sie alles machen lassen kann. Das wirkt alles ungekünstelt nachvollziehbar und sei es auch noch so absurd oder durchgedreht und am besten sind die Geschichten, in denen entweder die Realitätsschraube einen Tick überdreht wird (es beispielsweise einen Mütterstraßenstrich gibt oder einfach alle Eheregeln umgekehrt und pervertiert werden) oder Surreales Einzug hält (Handtaschen von Pestbeulen befallen werden, sich Helden ins Innere von Dingen denken). Dazwischen gibt es gelegentlich auch solide Komik, die dann aber gleich wieder durch ehrliche Boshaftigkeit vertrieben bzw. vergessen gemacht wird. Was bleibt, ist die radikale Konsequenz all dieser Geschichten, da wird nicht moralisiert oder schöngeistig schwadroniert, da wird meist Unangenehmes ausgesprochen und zwar mit den adäquaten sprachlichen Mitteln. Das Debüt »Söhne und Planeten« war frecher (und großartig), der Schmöker »Die Frequenzen« verspielter (und ohnehin grandios), „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ ist angenehm sperrig (und ein sympathischer Ungustl) und auf jeden Fall zu empfehlen.

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