Wie man leben soll

(von David Schalko; mit Axel Ranisch, Robert Stadlober, Bibiane Zeller)
Willkommen in Österreich
Mit seiner Thomas Glavinic-Verfilmung führt David Schalko bewährte Stilmittel vom Fernsehen ins Kino und setzt dabei auf die Ästhetik der Nostalgie.

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Charlie Kolostrum ist die fleischgewordene Wiener Gemütlichkeit. Wie man leben soll, weiß er eigentlich nicht. Mithilfe diverser Ratgeberliteratur gelingt es ihm immerhin, sich selbst als »Sitzer« zu definieren. In diesem Sinne setzt er sich (und wir uns mit ihm) durch ein 100-minütiges Who’s Who von 20 Jahren Film- und Fernsehgeschichte in Österreich. Ein namhafter Promi nach dem anderen tritt in Charlies Leben und verursacht, dass dieser ohne jegliches Zutun letztlich doch eine Menge erlebt. So zum Beispiel Maria Hofstätter und Josef Hader als aufgeschlossenes Swinger-Ehepaar oder Robert Stadlober, dem man zur Abwechslung mal nicht beim zaghaft-schüchternen Coming-of-Age zuschauen muss. Seine ideelle Heimat findet Charlie im Milieu der Uni Wien und des VSStÖ. Das Sitzen wird hier gebilligt und vor dem Hintergrund der »inneren Werte« kann er auch recht schnell die Body Issues ablegen.

Schalko bleibt seinem Stil treu. Wie auch einige seiner Fernsehformate (»Die Sendung ohne Namen«, »Kupetzky«) formuliert der Film eine bunte Mischung aus Ratgeber-Infotainment und Fiktion aus und ist dabei sehr österreichspezifisch. Woanders lässt sich diese Anhäufung nostalgischer Symbole der späten 80er und frühen 90er wohl kaum entziffern. So querbeet wie »Willkommen Österreich«, die inzwischen von Schalko / Stermann & Grissemann übernommene »Fernseh-Illustrierte« des österreichischen Vorabendprogramms, kommt auch dieser Film daher. Eher assoziativ als linear, stellt er den Versuch einer Verkettung von Milieustudien dar und nimmt uns mit auf eine Reise durch 20 Jahre Popkultur. Oftmals verschwimmen die Grenzen zwischen On und Off, Realität und Fiktion.

So sehr der Film auch von der Vergangenheit lebt, bleibt der kulturkritische Ansatz zeitgemäß – und auch ein bisschen meta. Während der Film von einer Zeit handelt, in der musikalische Ausgeburten wie DJ Ötzi gerade salonfähig werden, steuern die Trackshittaz, deren zelebriertes Dorfdisko-Proletentum inzwischen bei Sony gesigned ist, eine Single zum Soundtrack bei.

Tweet:Thomas Glavinic’ Anti-Entwicklungsroman, verfilmt als assoziative Sketchserie und Gaststar-Ringelreih. Immer wieder mal lustig.

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