Günter Brus hat es wieder getan. Er hat gerade eben den zweiten Teil seiner Autobiografie vorgelegt, seine „Schmähmoiren“, um es in seiner Diktion zu sagen. Und? Oh welch Schande, den ersten nicht gelesen zu haben und welch Freude, sich „Das gute alte Wien“ zu Gemüte zu führen.
Man kennt Brus als wesentlichen Bestanteil der Wiener Aktionisten, hat diverse düstere Zeichnungen des Nimmermüden gesehen und schlägt das Buch mit vollkommen falscher Erwartungshaltung auf. Doch wie gerne lässt man sich als Leser überraschen. Brus hat Witz („Wir sehnten uns, gelangweilt von einem Krautfleisch, nach einem Kulturmulatschak.“), Scharfsinn („Aus Illusion besteht jede Religion, stilistisch kann sie dem Surrealismus zugeordnet werden.“) und keine Scheu vor Kalauern („Wir Wiedersäufer parkten in einem Gastgarten und Hermann Schlacht machte mich mir Rodolfo Montenegro bekannt.“).
Dieses Buch ist Kunstbetriebsanalyse („Max Langweiler“!!!), Gesellschaftskritik und Zeitgeschichtsschreibung in einem und nichts davon zu viel. Und noch bevor man versucht ist, die Zeit und die Geschehnisse milde zu belächeln, ist plötzlich Schluss mit lustig, werden ernüchternde Fakten vorgefahren. Die legendäre „Uni-Ferkelei“ machte die Truppe um Brus über Nacht zu gesellschaftlich Geächteten und die Grausamkeit der Bevölkerung kennt keine Grenzen. Da die Justiz ein Exempel statuieren will, trifft es Brus hart, er packt Frau, Kind und Koffer und verlässt den Scheißstaat.