Adagh

Rand der Welt. Zentrum des Blues.

Wäre es nicht ein deutsches Label, das für derlei einfach zu ehrlich ist, man würde diese Geschichte einer musikalischen Spurensuche für einen Marketing-Gag halten.

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Drei Männer, die zeitlebens ehrenhaft die Rockmusik gegen Anfeindungen durch Kitsch und geschmäcklerischen Unfug verteidigt haben, finden zusammen um als Dirtmusic die Wurzeln ihrer Inspiration freizulegen – mit primär akustischen Instrumenten. Das 2007 auf Tonträger gebannte Resultat erregt Aufsehen. Am Heimmarkt und auch am Rand der Welt. Und so kommt es, dass der Australier Hugo Race, Gründungsmitglied der Bad Seeds, der Walkabout Chris Eckman und Chris Brokaw, bekannt als Mittäter von Thurston Moore oder den Lemonheads, sich beim Le Festival au Désert in der Subsahara wiederfinden. Zelt an Zelt mit den Musikern von Tamikrest, einer jungen Touareg-Band, die – ohne sich großartig um sonstigen westlichen Müll zu kümmern – ausgerüstet mit Stromgitarre und Bass und einer langen musikalischen Tradition im Rücken dort weitermachen, wo Ali Farka Touré begonnen hat, wo Tinariwen gestanden sind ehe ihnen Plattenfirmen beibrachten, dass sich geschliffene Diamanten besser verkaufen.

Trotz sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten entwickelt sich ein intensiver Dialog. Eine Jam-Session in Wort und Rhythmus, die ihren Höhepunkt in „All Tomorrow‘s Parties“ findet. Dirtmusic und Tamikrest legen Velvet Undergrounds unverwüstliche Melodie auf einen Gitarrenteppich, in dem Afrika und der Westen kunstvoll ineinander verwoben sind und tragen sie feierlich auf traditioneller Rhythmik durch die Dünen. Spätestens da dürfte allen Beteiligten klar geworden sein, dass diese Zusammenarbeit fortgesetzt werden muss. So trifft man sich einige Monate später in BKO (das Kürzel für Bamako), um im Studio des verstorbenen Touré weiter zu jammen. Der Opener des Tondokuments zeigt, wie der Dialog zwischen den Bands funktioniert: Im Blues-Skelett von „Black Gravity“ macht sich organisch ein Tamikrest-Song breit. Immer wieder kommen auch Gäste ins Studio. Etwa Musiker von Toumani Diabate’s Symmetric Orchestra oder Fadimata Walet Oumar, die Sängerin der Tourag-Gruppe Tartit, die zwei Songs ihre Stimme leiht. Insgesamt ist BKO ein gelungenes Beispie,l wie ein US-amerikanisch geprägtes Blues-Verständnis mit zeitgemäßer afrikanischer Musik interagieren kann.

Kurz nach Fertigstellung von BKO hat Eckmann dann mit Tamikrest an deren Album „Adagh“ gearbeitet. Klarerweise ist dort die afrikanische Seite der Medaille stärker ausgeprägt. Doch Tradition bedeutet nicht die Asche aufzubewahren, sondern das Feuer am brennen zu halten.

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