Partizipation als Spielkonzept
Aldo Tolino liefert eine extrem umfassende Arbeit zu Computer Games. Es ist nicht immer leicht, ihm zu den /ludic artefacts/ zu folgen – aber nur, weil einen die vielen anderen Ideen in seinem Buch mitunter gedanklich abbiegen lassen.
Aldo Tolino, ein in Wien tätiger Forscher und Lehrender, veröffentlicht mit »Gaming 2.0« seine Doktorarbeit in Buchform. Er erforscht darin die Motivation und Formen, wie sich Spieler auf nicht-triviale Weise Computerspielen nähern. Oft geht es dabei um /ludic artefacts/, damit meint er Medienprodukte, die aus Spielen heraus und durch das Spielen entstehen. Den räumlichen Kern des Buchs bilden 160 Fallstudien, katalogisierte Beispiele für eben jene /ludic artefacts/. Davor breitet Aldo Tolino einen ungewöhnlich umfassenden Wissensteppich aus. Allgemeines über Games und Game Studies wird hier genau so verhandelt wie eine Annäherung an den Begriff Partizipation oder den Begriff einer Convergence Culture. Er greift dabei auf teilweise bekannte Ideen wie etwa jene von Henry Jenkins zurück, schafft es aber ganz locker, die üblichen Kontexte von Game Studies zu erweitern und auch selten Gelesenes zu thematisieren. Die drei Kapitel nach den Fallstudien sind wohl als wichtigster Teil der Arbeit zu sehen, in denen Tolino das bis dahin Aufgezeigte verknüpft und seine eigenen Ergebnisse ausformuliert. Das gelingt ihm treffend und formal ansprechend, er lässt aber auch ein paar Fragen außen vor: Der Buchtitel »Gaming 2.0« bezieht sich nicht auf eine neue Art zu spielen, sondern ist eine Anspielung auf das Web 2.0, dass sich durch die Partizipation der User auszeichnet. Während dies für das WWW mittlerweile durchaus als Massenphänomen bezeichnet werden kann, ist es bei Games wohl immer noch nur ein kleiner Teil, der tatsächlich bewusst /ludic artefacts/ erzeugt. Die etwa auch von Jenkins aufgezeigte aktiv teilnehmende Fanschar ist ein interessantes Feld – aber keines, das sich daran macht, Gaming 1.0 zu ersetzen. Für die Qualität von Tolinos Arbeit ist das aber nicht unbedingt von Bedeutung und die schiere Masse an Anknüpfungspunkten geht weit über diese Frage hinaus. Vielmehr ist die einzige Schwäche des Buchs, das all seine interessanten Inhalte schwer zu konsumieren sind, die Fülle an Wissen den Leser erschlägt und die wissenschaftliche Form das nicht gerade einfacher macht. Und es kann schon mal passieren, dass man als Leser auf einer der 460 Seiten gedanklich abbiegen und einer der vielen Ideen in dem Buch folgen will statt weiterzulesen. »Gaming 2.0«, bietet extrem viel, verlangt aber auch viel.