Blur

Blinded By The Lights

Gerard MC hat seinen Sound jenseits engerHip Hop-Grenzen gefunden. Dass The Streets dabei Pate standen, macht „Blur“ zu einem nicht minder großen Lichtblick.

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„It‘s satsch ah blöhr“, stellt Gerard MC in bestem Austro-Englisch unmissverständlich im Intro seines neuen Albums klar. Der 22-jährige Wahlwiener hat sich von seinen einstigen HipHop-Wurzeln im Schoße der Wiener Rooftop-Clique weitestgehend freigemacht und präsentiert rund zwei Jahre nach seinem Debüt „Rising Sun“ ein Konzeptwerk namens „Blur“. Dieses handelt, gemäß dem Titel, vom Ungewissen, von Zwischenwelten, von Rauschzuständen. Das „Lebensgefühl einer Generation“ soll in diesen 16 Tracks vermittelt werden.

Diesem ambitionierten Anspruch versucht er mit dem Erzählen urbaner Nachtlebensgeschichten beizukommen. Der deutsche Gast-MC Maeckes bezeichnet das im Track „Wahllose Szenen“ scherzhaft als „Original Piratenmaterial“. Wenn sich Gerard als fantasierender Müßiggänger zwischen Afterhour und Arbeitsplatzsorgen darstellt, wird bald wahrscheinlich, wer hier Vater des Gedankens gewesen sein könnte. Mike Skinner lässt grüßen. Doch etwas anders als dieser offeriert Gerard Einblicke in die Gedankensprünge eines jungen Mannes, der persönliche Unsicherheiten und Selbstzweifel überraschend unverkrampft zu thematisieren weiß. Die Schlüsse, die er aus seinen Reflexionen über zwischenmenschliche Beziehungen und Daseinsplanung zieht, klingen manchmal nach redundanten Durchhalteparolen und schrammen gelegentlich am Phrasendreschen vorbei. Auch der Reimfluss gestaltet sich nicht immer hürdenlos. In seiner Erzählweise bietet er aber stets hörenswert aufbereitete Alltagserfahrungen, und schafft es zumeist, altkluge Allgemeinplätze zu meiden.

Die thematisierten Ungewissheiten allein machen ein Abtauchen in die umnachtete Welt des Gerard noch nicht zum Lebensgefühl einer Generation. Doch die sphärisch arrangierten Beats helfen, dem neu eingeschlagenen musikalischen Weg eine sehr persönliche Note zu geben. Konsequent wurden die Tracks – mal mehr, mal weniger druckvoll – mit hallenden Synthesizern, wabernden Bässen und stolpernden Drums bestückt, was besonders den elektronisch-experimentierfreudigen Händen der Produzenten Main Loop, Fid Mella und Clefco zu verdanken ist. Zusammen mit Stichwortgeber Gerard haben sie eine spannungsgeladene Kulisse entwickelt die ihrem Titel gerecht wird. Mit einer derart beachtlichen und doch eigenständig klingenden Sound-Ästhetik kann der jugendlich Leichtsinnige nun ruhigen Gewissens seiner Zukunft entgegenblicken. Nach der Katerstimmung ist schließlich vor dem nächsten Rausch.

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