Hier atmet New York: großartige Label-Retrospektive zwischen Mutant Disco und weirdem Jazz, No Wave, tanzbarem Krach und frühem Hip-Hop.
Nun gut: Die Behauptung von „Eklektizismus“ gehört längst so sehr zum guten Ton, dass sie mitunter schon etwas müde und abgenutzt – weil selbstverständlich – daherkommen kann. Sogar die Beschwerde darüber ist schon ein wenig alterslahm. „Keine Scheuklappen“, „Genre-Überwindung“ – you know it. Eine junge Band, die heute Indie-Rock mit Dance-Elektronik verknüpft, muss angesichts dessen, was das französisch-US-amerikanische Label Celluloid Records schon ab den ausgehenden 70ern bis hinauf in die späten 80er so an wildem und weirdem Style-Crossover – zugegebenermaßen nicht immer erfolgreich – betrieben hat, schockiert und desillusioniert die Waffen strecken.
Mit ideologischer wie tatsächlich tatkräftiger Unterstützung des Bassisten, Produzenten und generellen Alleskönners Bill Laswell, der zwischen Namen wie Fela Kuti, Herbie Hancock oder der ganz frühen Whitney Houston schon so gut wie mit wirklich jedem zusammengearbeitet hat, entwickelte der Exil-Pariser Jean Georgakarakos mit seinem von New York aus betriebenen Label eine absurde Welt, deren Grenzen so weit waren, dass oft selbst auch Fans inmitten all der unterschiedlichen Sounds, Ideen und Codes verlorengingen.
Die vorliegende, beim immer großartigen Label Strut Records erschienene Compilation versammelt jetzt 26 Hits, Absonderlichkeiten, unbekannte und rare Geheimnisse aus dem breiten Label-Katalog von Celluliod Records. Es ist eine New-York-hafte Schmelztiegel-Musik. Früher und noch früherer Hip-Hop von den Last Poets, Fab 5 Freddy oder Lightning Rod durchmischen sich hier mit den Kunsttypinnen und –typen, die eher auf zickigen Noise-Rock und windschief in die Welt getröteten Jazz stehen. No Wave und quengeliger New Wave sind hier zu erleben, kalter Synth-Pop, Mutant Disco und die Momente, in denen Punk sich in Postpunk wandelte und begann, sich für Dub zu interessieren.
Ein Instrumentalstück von Drum-Gottheit Ginger Baker steht hier neben einer Zusammenarbeit von Afrika Bambaataa und John Lydon, dazwischen ist Platz für Richard Hell und die senegalesische Gruppe Touré Kunda. Musiken, die oft kaum irgendetwas miteinander zu tun hatten, und genau deshalb zueinander geführt werden mussten. Fantastisch.