Mama, Papa, Urknall
Terrence Malick erkundet im Cannes-Sieger »The Tree Of Life« eine texanische Kindheit und angrenzende Rätsel der Existenz. Ein un- und übermäßiger, also genau richtig dimensionierter Film.
Es war einmal das Leben: Aufwachsen in einer Kleinstadt in den 50ern, mit Spielen im Garten, Schaumbädern, Lektionen des Vaters, Ausflügen in die Stadt. Es war einmal das Leben: Urknall, Planeten beginnen zu kreisen, aus der Ursuppe dringen Mehrzeller, und schon wimmelt das Meer vor Hammerhaien. »The Tree Of Life«, der neue Film des Kino-Transzendentalisten Terrence Malick (»Badlands«), tut sich leicht mit solchen Registersprüngen. Eine wuchtige wie närrische Sequenz über die Entstehung des Universums fügt sich ganz selbstverständlich in einen Montagefluss, der eigentlich von den beträchtlich kleiner dimensionierten Erschütterungen und Entwicklungsschüben einer Kindheit handelt: Jack (famos: Debütant Hunter McCracken), der erstgeborene Sohn der O’Briens, wächst in Waco, Texas, in einer archetypischen Eisenhower-Ära-Kleinfamilie auf. Der Vater (bullig: Brad Pitt) ist ein verhinderter Self-Made Man mit autoritärem Gehabe, die Mutter (luminös: Jessica Chastain) eine nährende, feenhafte Beschützerin. Malick bauscht diese Rollenverteilung zum universellen Prinzip auf (irdische Natur versus spirituelle Gnade), zugleich verdichtet er Jacks Entwicklungsroman auf eine Abfolge fein texturierter Momentaufnahmen. Die abwechselnd brüsk vorwärtstreibende und brütende Montage kriegt ziemlich toll den Groove eines kindlichen Bewusstseins zwischen Weltentdeckung und einsetzender Introspektion hin. Und Kamera-Ass Emmanuel Lubezki braucht nicht mehr als Schattenrisse auf einer Veranda und Lichtstimmungen im Vorgarten, um die Wunder und Katastrophen des Aufwachsens zu evozieren.
Nicht dass es Malick bei solchen vorbeihuschenden Impressionen belassen würde: Noch entschiedener als zuletzt »The Thin Red Line« und »The New World« ist sein neuer Film eine symphonische Konstruktion, gegliedert in unterschiedliche Sätze und gewoben aus auf- und abtauchenden Melodielinien. Neben der Evolutions-Sequenz ist vor allem eine Rahmenhandlung prominent platziert, in der der erwachsene Jack (Sean Penn) durch kalte Glasbauten dem Ende der Welt entgegentreibt. Diese Episoden um Penn, wie auch manches fesche Fantasiebild am Wegesrand und gottesfürchtige Flüstern auf der Tonspur, enervieren eher als zu erleuchten. Irgendwann muss aber Schluss sein mit dem Auseinanderklamüsern: Gerade in seiner ernst durchargumentierten Maßlosigkeit nötigt »The Tree Of Life« nicht bloß Respekt ab, sondern bewegt.