Wollen wir die Hintergrund – Geschichte (Edwyn Collins’ Hirnblutung, die MRSA-Infektion im Spital, seine erstaunliche Genesung) einmal beiseite lassen. „Home Again“ wurde vor Edwyns gesundheitlichem Zusammenbruch geschrieben und aufgenommen, wenn er also in der Titelnummer über sein Wieder-nach-Hause-Kommen nach langer Abwesenheit sinniert, reflektiert das seine heutige Lage genauso treffsicher wie die jedes anderen beliebigen Hörers. […]
Wollen wir die Hintergrund – Geschichte (Edwyn Collins’ Hirnblutung, die MRSA-Infektion im Spital, seine erstaunliche Genesung) einmal beiseite lassen. „Home Again“ wurde vor Edwyns gesundheitlichem Zusammenbruch geschrieben und aufgenommen, wenn er also in der Titelnummer über sein Wieder-nach-Hause-Kommen nach langer Abwesenheit sinniert, reflektiert das seine heutige Lage genauso treffsicher wie die jedes anderen beliebigen Hörers. Schließlich liegt eine der großen Pop-Qualitäten der Collins’schen Schreibe in seinem Geschick, einen Song so konkret und doch wieder vage anzulegen, dass er unwiderstehlich zum persönlichen Projektionsvehikel wird – mit einer wesentlichen Einschränkung: Wenn Collins kommerziell nie an den zweiten Frühling von „A Girl Like You“ anschließen konnte, beruht das wohl auf seiner schon in jenem Song vor 15 Jahren angeklungenen, von den gerontophoben Charts nur dieses eine Mal großmütig überhörten Auseinandersetzung mit dem Älterwerden: „This town has changed so much, don’t know where I belong.“ Jener Edwyn Collins, der vor drei Jahren die Songs von „Home Again“ schrieb, hatte sich bereits völlig entfremdet von jener „town“, sprich „Welt“, die sich in seiner Lebenszeit bis zur Unkenntlichkeit verändert hatte – von den eigenen Wurzeln im Aufbruch der embryonischen Independent-Szene Anfang der 80er bis zum unentrinnbaren zynischen Nischenmarketing der Gegenwart.
Die großteils akustische Intimität von „Home Again“ suggeriert folgerichtig einen Rückzug ins Private. Doch selbst in den eigenen vier Wänden ist der Familienvater nicht gefeit vor der „poisoned fruit of the devil’s spawn“. Im „Liberteenage Rag“ verirrt er sich im Morgengrauen in die schmuddeligen Winkel des Internet: „There was nothing sacred / As far as I could see / The libertine’s dream in virtual reality.“ Er unternimmt einen Spaziergang, um die bösen Bilder aus seinem Kopf zu verjagen. Er fährt hinauf in den schottischen Norden, seine alte Heimat, und stellt sich auf den Gipfel eines vom Wind gepeitschten Hügels: „I felt the full force of 5000 years.“ Das klingt schon fast nach Blut und Boden, doch in Collins’ charakteristischem, hier mit flockigem Fingerpicking unterlegten, gutturalen Gurgeln wirken selbst solch hemmungslos überzeichnete Sinnbilder noch berührend real. Die einzige Schwachstelle liegt im augenzwinkernden Wortspiel des Titels, wie überhaupt die satirische Seite seines Songwriting nicht zu Collins’ stärksten zählt (siehe auch den „Superstar Talking Blues“).
Den prägenden Eindruck dieser wärmsten aller Edwyn-Collins-Platten hinterlassen allerdings die herzzerreißenden Hymnen einer hoffentlich noch lange nicht abgeschlossenen Seelensuche in Songform. „And I heard the music ringing from some clapped-out pirate station / It was my unholy salvation / Home again.“