Mimu Merz verstört mit ihren schwer zugänglichen Elegien ebenso oft wie sie verzaubert. Rehe und Füchse, Liebe und Tod, Faszination und Abscheu. Und viel Stille.
Klagelieder sind die Songs auf „Elegies In Thoughtful Neon“, dem ersten Album von Sängerin und Künstlerin Mimu Merz gewiss, nachdenklich oder wohlüberlegt sind sie wahrscheinlich auch, neonfarben scheinen sie allerdings überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Müsste man Mimus Musik in Farben zeichnen, würde ein Bild aus Grautönen, schwarz und weiß entstehen. Vielleicht mit dunkelblauen und violetten Flächen und ein paar knallroten Sprenkeln. Die würden das Blut darstellen, eh klar.
Das spritzt zum Beispiel bei „The Boy Who Likes Horses“, ein Song den Mimu über einen Kriminalfall geschrieben hat, bei dem ein junger Mann seine Freundin mit einem Messer zerstückelt hatte. Oh, wie makaber. Ja, das mag sein, dennoch ist der Song einer der eingängigsten auf dem Album, bezirzt mit leisen Vocals sowie verspielt-dramatischen Kammermusik-Miniaturen, schockiert allerdings gegen Schluss nicht schlecht mit tiefschwarzem „Schnippschnapp“-Gesang. Brr.
Weiters vermischen sich in den elf Songs Sprechgesang, Noise-Krach und Ambient-Glitzer. Das ist zum Teil natürlich hochinteressant und irrsinnig kunstvoll, andererseits aber unfassbar mühsam und nicht minder anstrengend. Etwas für Fans vielleicht. Definitiv nicht für die breite Masse, Pop-Affine und die, die es gerne einmal etwas lauter haben. Das ist „Elegies In Thoughtful Neon“ nämlich alles gar nicht.
Theatralisch und aufwändig ist es aber. Schon der Opener ändert hundertmal seine Richtung, bevor er nach sechseinhalb Minuten schließlich erschöpft zu Ende und in das anfangs etwas spärlicher instrumentierte, aber ganz angenehm atmosphärische „Sticks And Stones“ übergeht.
Ein weiteres Stück, das zweifellos heraussticht, ist eines namens „Politik Der Liebe“, auch ein massiv seltsamer Sechseinhalb-Minüter, der es in sich hat. Spoken Word durch und durch, getragen von fragilem Elektronik-Geknister und bestehend aus meist unzusammenhängenden Textfragmenten aus Briefen, die Mimu Merz einst ihrer Mutter geschrieben hatte. Betrunken und dementsprechend weise haucht sie altklug „Frau Mutter, die Politik der Liebe ist ein Gebet, dass man so lange vor sich hinmurmelt, bis man es selber glaubt.“ Aha. Oke.
Mimus Debüt ist auf jeden Fall eine Gänsehaut-Platte. Mal grausig, mal schön, sich für eines der beiden Attribute zu entscheiden, scheint aber ein ewiges Ding der Unmöglichkeit.