Fish Tank

Jugend außer Atem
Mit feinfühliger Beobachtungsgabe erzählt »Fish Tank« vom wechselhaften Leben eines erwachsen werdenden Mädchens und fesselt dank einer aufblühenden Laiendarstellerin.

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Mia stemmt die Hände auf ihre Knie, beugt ihren verschwitzten Körper nach vorne und versucht durchzuatmen. Sie trainiert hart, sie will weg aus ihrem rauen und tristen Teenager-Leben im Randbezirk. Breakdance und die dazugehörige Musik sind ihr Eskapismus, aggressives Verhalten ist ihr Mittel zum Ausdruck. Mit Schulen hat sie Probleme, Freunde sind nicht vorhanden. Zuhause wartet auf sie nur eine vernachlässigende, trinkende, nicht verstehende – »What the fuck is wrong with you?« – Mutter und eine kleine Schwester, mit der sie aber auch nur Beschimpfungen austauscht. Doch das Leben der 15-jährigen, passionierten Fluchttänzerin ändert sich plötzlich, als ihre Mutter einen warmherzigen Freund mit Familiensinn nach Hause bringt und Mia und er sich einander annähern.

Regisseurin Andrea Arnold bleibt stets sehr nah an ihrer Protagonistin, während sie Mias einfache Lebensumstände nur nüchtern ins Bild rückt und damit gelungen vermeidet, ihren hervorragenden Coming-of-Age-Film auf ein Sozialdrama zu reduzieren. »Fish Tank« verzichtet auf Rasanz und Überbetonung, stattdessen entwickelt sich zwischen den starken Einzelcharakteren eine sehr unmittelbare Spannung, die gleichsam sensibel und würdevoll mit den angedeuteten sozialen Gefällen umgeht. Die von der Laiendarstellerin Katie Jarvis verkörperte Hauptfigur wirkt ohnehin sehr überzeugend in ihrem eigenwilligen Freiheitskampf und schafft es mehrfach, das beobachtende Publikum zu fesseln, zu überraschen oder gar vor den Kopf zu stoßen. Jarvis soll übrigens abseits des offiziellen Castings am Drehort (Essex) entdeckt worden sein, als sie gerade lauthals an einer Bahnhaltestelle mit ihrem Freund stritt. Erwachsenwerden kann hart und enttäuschend sein, für Hoffnung, Liebe und die Aussicht auf ein besseres Leben gibt es trotzdem Spielraum. Arnold und ihre Leinwandüberraschung Jarvis spielen Leben auf dem Weg zur Selbstbestimmung, universell und überzeugend, und schaffen so den raren Fall einer ungeschönt zeitgenössischen Teenager-Biografie.

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