GNU, Linux, die Free Software Foundation, Creative Commons Lizenzen, Open Source Verlage und Co. gehören dringend ent-geekt. Denn die Spielregeln der Informationsgesellschaft, die wir in diesen Momenten festlegen, werden unser kulturelles und politisches Leben zukünftig gravierend beeinflussen.
Neoliberale Markt-Selbstregulation verlässt sich auf die Hoffnung, das Regulativsystem Geld könne Verteilungsproblematiken wesentlich effizienter abfedern als jegliche politische Regulierung. Wenn allerdings wissenschaftliche Verfahren patentierbar werden, Kultur von den Majors nur mehr als Ware gehandelt wird und die Plattenindustrie sich nicht entblödet, Plakatkampagnen mit inhaftierten mp3-DownloaderInnen zu starten, bekommen immer mehr Menschen Zugang zu immer mehr Information und eine Vorstellung davon, welches Potential Netzmedien inne wohnen könnte. Denn die Kluft zwischen Produzenten und Konsumenten wird immer kleiner – bis, im Fall der Popmusik etwa, irgendwann die Nachfolgeplattformen von myspace jene Funktionen übernehmen, die derzeit die Existenzberechtigung der Major Labels bilden.
Der Gedanke, dass Urheberrecht nicht nur das Einkommen von Künstlern sichert, sondern zugleich die Kunstproduktion gravierend behindert, ist keineswegs neu: Folgt Kulturproduktion doch stets den Regeln des Remixens und Rekombinierens, manchmal ex-, manchmal impliziter. Der luftleere Raum des aus sich selbst kreativen Genies überdauert dagegen als fiktive Konstruktion eines erstarkten Bürgertums sogar in einer Zeit, in der Apologeten neuer Medien längst das emazipatorische Potential „sozialer Medien“ beschwören. Mit dem Schlagwort Web 2.0 sind kollektive Wissensplattformen (Wikipedia) ebenso gemeint wie der Trend zum Mikro-Publishing (Weblogs) und der Beginn der Nutzung des Internet als dialogisches Medium, wie Vilém Flusser lange vor der technischen Realisierung dieses Versprechens prophezeite.
Die gesetzlichen Spielregeln, die technischen Möglichkeiten, Ideen und Ansätze zu einem alternative Urheberrecht wurden bisher vor allem in uni-nahen und technologielastigen Diskursen thematisiert. „Freie Netze“ ist der überaus gelungene Versuch, die vielen Facetten eines Themenkomplexes, der jeden Einwohner der Informationsgesellschaft gravierend betrifft, auf eine breitere Diskussionsbasis zu stellen. In neun Kapiteln explorieren die beiden Herausgeber gemeinsam mit Gastautoren substanzielle Themen im Umgang mit kollektivem Wissen: von „Open Courseware“, also frei verfügbaren Kursinhalten an Universitäten, über die Freiheit der Kunst bis zur Bedeutung freien Wissens für den urbanen Raum reicht das Themenspektrum. Interview mit Medien- und Rechtsexperten zeichnen ein differenziertes Bild, die liebevolle Gestaltung macht das Schmökern im Buch zu einem Vergnügen. „Freie Netze“ eignet sich somit hervorragend als Nachschlage-Kompendium, als Einführung und nicht zuletzt als didaktisch wertvolle Literatur etwa für den Medienunterricht – und das, ohne die Budgets unserer Schulen belasten: Dem Thema angemessen wählten die Autoren eine Creative Commons Lizenz – auf der Webseite gibt’s alle Kapitel einzeln oder das komplette PDF zum Gratis-Download: http://www.freienetze.at