I Killed My Mother

Die Kunst, Mutter zu hassen
Jungregisseur Xavier Dolan treibt in seinem Debüt »I Killed My Mother« die Hassliebe eines 17-jährigen Narzissten und dessen überforderter Singlemom auf absurde Spitzen.

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Als Hommage an die Kunst und an die Kunst hysterischer Verwandtschaftsbeziehung funktioniert seine Coming-of-Age-Tragödie ganz gut.

Hubert kann ein richtiges Arschloch sein. So süß und erhaben er auch wirkt in seiner Rolle als pubertierender Nachwuchskünstler. So leid er einem auch tut, wenn seine Homosexualität an gesellschaftlichen Realitäten abprallen muss. So oft man sich auch bestätigt fühlen mag, wenn er seine Mutter mit Beschimpfungen überschüttet, weil sie manchmal einfach so unerträglich ist. Ihm, dem jähzornigen Protagonisten, steht sie in »I Killed My Mother« als nicht minder wahnwitzige Antagonistin gegenüber. Sympathien sind ihr als Mutterfigur dennoch sicher, besonders weil sie von Anne Dorval so hervorragend irrational verkörpert wird. Sohn (von Xavier Dolan beeindruckend selbst gespielt) und Erzeugerin ertragen sich einfach nicht mehr. Der Vater hat beide schon längst sitzen gelassen. Mama Chantal ist nicht gemacht für die Mutterrolle, die ihr das Leben zugedacht hat, während sich Hubert ohnehin nur missverstanden und unterfordert fühlt. Sein jugendlicher Sturm und Drang entlädt sich in hysterischen Streits mit ihr. Oder kanalisiert sich in Poesie, Malerei und Sex mit seinem Freund, dessen Mutter wiederum ein überzogenes Abziehbild liberaler Idealvorstellungen ist. Chantal hat hingegen nur ihre Unzulänglichkeiten, ihren knallbunten Kitsch und ihr scheiterndes Bemühen zu bieten. Witz und Kunst liegen bei Xavier Dolan nah aneinander, was sein – mit 17 geschriebenes, mit 19 realisiertes – Kinodebüt auflockert, aber auch über-ambitioniert wirken lässt. Seine Inszenierung ist voll von überzuckertem Dekor, bemüht kunstvoll montierten Stillleben, eingeblendeter Lyrik, Musiksequenzen in Zeitlupe, aufwendigen Bildkompositionen und in schwarzweiß gehaltenen Monologen des narzisstischen Hubert. Doch darüber täuscht nicht mal das blasse Indie-Nostalgie-Pathos hinweg: »I Killed My Mother« ist ausgeklügelt, verspielt, überraschend und trotz Kunstbeweihräucherung recht erfrischend geraten.

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