Ignorant Art

Madonna der Muschis – Iggy Azalea macht ihre Muschi zum Pop-Konzept, um sich zu solidarisieren. Die Löcher, die andere Rapperinnen vor ihr in die gläserne Decke gehauen haben, durchflutet sie mit selbstbewußtem Scheinwerferlicht.

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Iggy Azalea sieht so aus wie Madonna, bevor sie ihre Jungfräulichkeit in beliebigem Pop verloren hat und kommt wie Kylie Minogue aus Australien. Sie rappt so hungrig wie Lil’ Kim in den 90ern und klingt expliziter als HipHop-Paradiesvogel Nicki Minaj. Doch anders als ihre schillernden Vorreiterinnen muss sich Iggy Azalea nicht erst durch Testosteron-Wolken boxen. Einerseits, weil sie mit ihren High Heels auf Straßen aufstampft, die ihr Kim und Minaj geebnet haben, andererseits, weil sie von vornherein auf weibliche Solidarität statt auf übermütige Ziehväter und Protegés setzt. Dass sie im Video zu ihrem Song »Pu$$y« neben ihren Freundinnen ständig von einem kleinen Jungen auf einem Schaukelpferd oder Dreirad umgeben ist, während sie von ihrer Muschi und den Vorzügen oraler Befriedigung rappt, ist offensichtlicher Bestandteil des Konzepts. Iggy Azalea repräsentiert dabei zeitgemäßen wie experimentierfreudigen HipHop, der die eigene Sexualität in die Auslage stellt, ohne sich an Klischees anzubiedern. Als zweifellos talentierte Rapperin spielt die Blondine in Eigenregie auf der Klaviatur des Genres ihre eingängigen Melodien. Etwa wenn sie zu den wuchtigen Synthesizer-Hymnen »Hello«, »My World« oder eben »Pussy« darüber rappt, wie sie Kerle reihenweise nach ihrer Pfeife tanzen lässt, ihr Style dabei aber an eine kreative Weiterentwicklung großmäuliger Straßen-Swagger wie Gucci Mane oder Waka Flocka Flame erinnert. Bezeichnenderweise hat sie ihr Mixtape »Ignorant Art« getauft und sich bei der Namensgebung vom afroamerikanischen Neoexpressionisten Jean-Michel Basquiat inspirieren lassen. Iggy Azalea weiß, was sie auslöst, wenn sie sich als »Bad Bitch« bezeichnet und von der Liebe am Rücksitz oder sich stapelnden Einkaufstüten erzählt, aber gleichzeitig eine eigenständige Ästhetik vor sich herträgt, die nicht auf ein bloßes Youtube-Phänomen reduzierbar ist. Sie kokettiert mit den anspruchsvollen Fashion-Pop-Modellen eines André 3000, bleibt stilistisch aber so street smart wie ihr Vorbild Eve (Ruff Ryders). Für ihre Karriere hat sich Iggy Azalea mit diesem Mixtape eine Messlatte gesetzt, über die andere Stöckelschuhe noch stolpern werden.

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