Wir brauchen Helden
Nun schickt Marvel-Comics “Iron Man” ins Rennen, um die Welt zu retten und Kinosäle zu füllen.
Es kann wohl kaum als Zufall bezeichnet werden, dass das “Goldene Comic-Zeitalter” genau in jene Epoche fällt, die als Zweiter Weltkrieg in die Geschichte eingegangen ist und deren Fürchterlichkeit hier nicht weiter ausformuliert werden muss. Der Wunsch nach Superhelden, die die Gesellschaft von allem Übel befreien, war nie wieder so groß wie in den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts.
Vielleicht sollte es uns deshalb zu denken geben, wenn nun die zweite Hochblüte für übernatürliche Kräfte und selbstlose Rettungsaktionen angebrochen scheint: Marvel Comics ließ verlautbaren, dass sie jeden einzelnen Superhelden, der bei ihnen unter Vertrag steht, auf die Leinwand zu bringen gedenken (bereits verfilmt: Spider-Man, X-Men, Die Fantastischen Vier, Hulk, Daredevil, Ghost Rider). Und sie täten dies nicht, wenn nicht die Nachfrage groß und die Möglichkeit zahlreicher Box Office-Erfolge noch größer wäre.
Nachdem das “ob” nun also geklärt ist, stellt sich nur noch die Frage nach dem “wann”. Diesmal an der Reihe: der seit den 60er Jahren aktive “Iron Man”. Mit ihm wollte Stan Lee, Erfinder zahlreicher Marvel-Figuren, den Versuch starten, einen unsympathischen, weil profitorientierten Geschäftsmann, zum Superheld zu machen. Der Versuch gelang. Angelehnt an den realen Howard Hughes (dem Martin Scorsese in “The Aviator” ein filmisches Denkmal gesetzt hat) ist auch Waffenhersteller Tony Stark als Industriellen-Magnat und (selbstredend) Frauenheld sehr erfolgreich. Dass Stark trotzdem die Sympathien auf seiner Seite hat, dafür sorgt sein Erfindungsreichtum, der ihn regelmäßig in eine selbstgebaute und mit zahlreichen Waffen ausgestattete Titan-Uniform schlüpfen läßt, um die Welt zu retten.
Die zweite große Frage nach jener um die nächste Superheld-Verfilmung dreht sich dann immer um die Besetzung. So mag es auf den ersten Blick verwundern, dass von nun an Robert Downey Jr. die Darstellung des “Iron Man” abonniert hat, doch es ist diese Selbstironie gepaart mit einer gewissen Leichtigkeit des Seins, mit der Downey bereits zahlreichen Figuren aus dem Drogenmilieu sein Gesicht geliehen hat, die nun auch dem Eisen-Mann das nötige Charisma verleiht. Zudem hatte auch Tony Stark, der Comic-Held, nicht nur gegen die üblichen Bösewichte, sondern auch gegen sein eigenes Alkohol-Problem (in späteren Folgen) zu kämpfen.
Dieser erste Teil von “Iron Man” erzählt mit Hilfe zahlreicher Action-Sequenzen hauptsächlich die einleitende “Wie es dazu kam”-Geschichte und versucht, eingeschworene Fans mit jenen Kinogehern, die sich bis dahin weniger mit diesem (oder anderen) Superhelden beschäftigt haben, auf eine Stufe zu bringen. Charaktere sowie Optik wurden zwar ziemlich nahe am (gezeichneten) Original belassen, die Geschichte jedoch in die Gegenwart verlegt (der Feind sitzt nicht mehr in Vietnam, sondern in Afghanistan).
Leider keinen Sprung ins 21. Jahrhundert hat hingegen die Figur der Pepper Potts, Starks Assistentin, geschafft. Das Dilemma um die oftmalige Eindimensionalität weiblicher Nebenrollen in Superhelden-Märchen ist bekannt. In diesem Fall hätte es jedoch einer anderen Schauspielerin als Gwyneth Paltrow bedurft, um von der in gezeichneter Form sehr selbstbewußten Potts mehr zu sehen als eine rote Perücke auf Stöckelschuhen.
Natürlich darf auch Iron Man fliegen, mit Autos um sich werfen und Intrigen in der Regierung und den eigenen Reihen aufdecken. Eine gehörige Portion Humor ist das zweite Standbein, auf dem Marvel den zukünftigen Erfolg des neuen Superhelden aufbauen will. Der dritte Punkt dürfte dann doch etwas überraschen: Iron Man ist ein Superheld, der keinen Wert mehr auf Anonymität legt. Die Helden des 21. Jahrhunderts geben Autogramme und haben Aktien an der Börse – wahrhaft goldene Zeiten.