Seit ich gesehen habe, wie Michael Moore das Hauptquartier eines an der Immobilienkrise mitverantwortlichen US-Versicherers mit gelbem „Crime Scene“-Band umwickelt und sich bei kirchlichen Würdenträgern erkundigt, ob der Kapitalismus wirklich böse ist, habe ich das Bedürfnis, einige Kritik an Erwin Wagenhofer zurückzunehmen.
Wie dessen Filme Kapitalismus „zeigen“ wollen, ist auch nicht unproblematisch, aber zumindest würde er – im Gegensatz zu Rat-mal-wem – nicht auf die Idee kommen, einen befreundeten Schauspieler, der „auch mal Wirtschaft studiert hat“, zu bitten, ihm und uns die Sache mit Angebot und Nachfrage jetzt einmal genau zu erklären. Oder sich laut zu fragen, wieso nicht mal Bernie Madoffs Haus von einem Hurrikan durchspült wird. Förderte zuletzt Moores Krankenversicherungs-Doku „Sicko“ noch ebenso viele faszinierende Fallbeispiele wie peinliche Verallgemeinerungen zutage, so hat er sich hier an seinem übergroßen, diffus umschwommenen Angriffsziel – Kapitalismus im Allgemeinen, die staatliche Sanierung der Krisen-Unternehmen im Besonderen – spektakulär übernommen. Ausweg: eingespielte Feindbild-Rhetorik, ausgespielte Tränendrüsenmomente, pflichtschuldig exekutierter Moore-Aktionismus. Vereinzelt dazwischen: jene verstörenden Vorfälle, die sich einen präziseren Film – oder zumindest einen Platz in den Nachrichten – verdient hätten.