Eine junge Frau, die jede und jeder kennt: Wenn schon die Erwähnung des Vornamens zur Identifikation der eigenen Person ausreicht und man dann noch als Wachsfigur in London ins Museum gestellt wird, darf man ohne Zweifel davon ausgehen, dass man es in diesem Leben geschafft hat. Nach dem großartigen Album „Body Language“ aus dem Jahr […]
Eine junge Frau, die jede und jeder kennt: Wenn schon die Erwähnung des Vornamens zur Identifikation der eigenen Person ausreicht und man dann noch als Wachsfigur in London ins Museum gestellt wird, darf man ohne Zweifel davon ausgehen, dass man es in diesem Leben geschafft hat. Nach dem großartigen Album „Body Language“ aus dem Jahr 2004 wurden die letzten drei Jahre im Leben und Leid der Kylie Minogue eher in den Klatschspalten denn in der Fachpresse verhandelt, nun soll nach Verkauf von über 25 Millionen Alben und 40 Millionen Singles in gut 20 Jahren im Musikgeschäft gebührend ein Jubiläum begangen, eine große Künstlerin gefeiert werden. Schön, dass es sich hier zugleich um das zehnte Album in ihrer Karriere handelt, keine Spur zu pompös trägt es den wie in Stein gemeißelten Titel „X“.
Die wunderbare, vom bislang wenig bekannten, aus London stammenden Elektronik-Duo Kish Mauve produzierte Vorabsingle „2 Hearts“ demonstriert zwar, wie denn ein ordentliches Comeback aussehen könnte, legt aber in seinem spröden Minimalismus mit treibendem Piano und dem entrückten, jetzt schon weltberühmten Rockabilly-Aufschrei „Whoo!“ im Refrain sowie dem düster-schicken Video mitsamt Totenkopf-Mikrophon und enge Hosen tragenden Indie-Typen falsche Fährten aus.
Mitnichten sollte hier eine aus räudigen Garagen an unser Ohr dröhnende Gitarrenplatte erwartet werden, vielmehr liefert Kylie das, was von ihr seit jeher erwartet werden darf: Auf relativ hohem Niveau solide gearbeiteter, wenn auch nur begrenzt aufregender Pop im Schein einer äußerst glatt polierten Diskokugel. Wie gehabt begreift die Australierin die Musikgeschichte als kunterbunten Selbstbedienungsladen, das beständige Vermeiden von Risiken verschont sie dabei vor Totalausfällen, sorgt aber gleichermaßen für die Abwesenheit von genialischen Entwürfen.
Mithilfe einer wahren Heerschar großteils nicht ganz so prominenter Songwriter und Produzenten (u. a. Cutfather, Jonas Quant, Eg White) wurde also ein einem gedämpften Hedonismus frönendes Album gezimmert, das – Pet Shop Boys, New Order und alles dazwischen stets im Hinterkopf – quer durch die Welten von Synthie-Pop navigiert, schon auch mal „Fade to Grey“ von Visage samplet, hie und da Balladeskes einstreut oder sich an aktuelle, hippe französische Musiken samt Vocoder-Albernheiten anlehnt.
Hier wird lautstark an den Türen zur Peinlichkeit klopfend ein längst ausgemergelter Neptunes-Beat (man erinnere sich: B-A-N-A-N-A-S), nun ja, zitiert, anderswo liefert der ehemalige Robbie – Williams – Stückeschneider Guy Chambers mit dem auf Gainsbourgs „Bonnie and Clyde“ basierenden „Sensitized“ einen Höhepunkt. Wie so viele der groß angelegten Pop-Alben der letzten Jahre krankt „X“ an seiner Durchwachsenheit, am Versuch das Interesse möglichst vieler Zielgruppen abzuschöpfen. Ideologisch darf es im Folder zwischen Furtado und Stefani abgelegt werden. Das ist ja aber auch nicht unbedingt das Schlechteste.