Im Hinterhof einer kargen Wohnsiedlung steht zwischen spielenden Kindern eine junge Frau im weißen Brautkleid und macht sich Sorgen um ihre Schleppe.
Es steckt viel von „La teta asustada“ in dieser frühen Einstellung: Immer wieder setzt Claudia Llosa („Madeinusa“) in ihrem zweiten Film Brauchtum und moderne Lebensrealität, Tradition und Urbanität des zeitgenössischen Peru visuell und erzählerisch hart nebeneinander. Das Ergebnis ist ein herber magischer Realismus, in dem die Metaphern oft schlau, manchmal gezwungen bedeutungsschwanger vor sich hin wuchern. Der Protagonistin Fausta steckt das Trauma der jüngeren Bürgerkriegsvergangenheit beispielsweise noch wortwörtlich im Leib: Um sie vor Vergewaltigungen zu schützen, wurde Fausta vor Jahren eine Kartoffel in die Vagina gesetzt, die inzwischen Blüten treibt. Daheim am Bett liegt die Leiche der Mutter, die Fausta in ihrem alten Dorf bestatten lassen will. Um sich die Reise leisten zu können, arbeitet sie in Lima als Haushälterin in der Villa einer Pianistin, die ein nicht uneigennütziges Interesse für Faustas Sangeskunst entwickelt. Ihren zögerlichen Entwicklungsweg säumen ausgesucht pittoreske Elemente wie ein zerschmettertes Piano oder ein Schiff, das vor einem Straßentunnel feststeckt. Seine affektive Wirkung verdankt der heurige Berlinale-Hauptpreisträgerfilm aber weniger solchen wohlfeilen Bildeinfällen als der fabelhaft verstockten Ausstrahlung von Hauptdarstellerin Magaly Solier.