Lemmings Zorn

Kampf den Krawallmachern

„Lemmings Zorn“ heißt Stefan Slupetzkys vierter Krimi über den schwarzhumorigen Ex-Kieberer und Neo-Papa Leopold Wallisch. Der hat diesmal – neben allerlei Leichenherstellern – einen besonders hartnäckigen Feind: Lärm.

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“Nein, nein, ich höre / Nicht länger von ferne / Den Lärm mit Geduld“, heißt es bei Goethe. Nicht nur den Dichterfürsten, auch den Lemming bringen unerwünschte Geräuschkulissen bald einmal aus der Facon: Als er am Staatsfeiertag mit „dem vollreifen Weib“, seiner hochschwangeren Freundin Klara, durch Wien spaziert, setzen die Wehen ein. Also ins Krankenhaus. Die knatternden Rotorblätter eines zwischen den Häuserschluchten schwebenden Hubschraubers vereiteln jedoch das Telefonat nach einem Taxi – und gleichzeitig mit Klaras Fruchtblase platzt dem Lemming endgültig der Kragen. Er knallt das Handy auf den Asphalt und brüllt nach ungehörten Hilferufen einer Passantin in Klostertracht noch ein deftiges „Nonnensau“ hinterdrein. Retterin in der Not ist eine Fremde namens Angela, die fortan willkommener Gast bei der frischgebackenen Kleinfamilie ist. Doch ein paar Monate später ist „der Engel“ tot und da Lemming nicht – wie die Polizei – an Selbstmord glaubt, macht sich der nunmehrige karenzierte Nachtwächter des Tiergartens Schönbrunn und frühere Bulle selbst an die Arbeit. Und schnell wird klar: Tragödie und Unglück sind überall dort, wo die Stille der „tobenden, stampfenden, brüllenden Hölle“ gewichen ist. Nicht nur, dass der zwischen Philanthropie und Weltekel lavierende Antiheld Leopold Wallisch vulgo Lemming permanent Wickel mit heimwerkenden Nachbarn oder presslufthämmernden Straßenarbeitern hat, führt ihn die Suche nach Angelas Mörder auch noch zu einer Clique geschundener Opfer von Krawallmachern – eine Mischung aus Guerilla und Selbsthilfegruppe, die Vergeltung an ihren Peinigern sucht. Slupetzky hat auch seinen vierten Lemming-Roman mit gewohnt skurrilem Figurenstab ausgestattet, wobei der aufgeknüpfte Pinguin aus dem Vorgängerstreich „Das Schweigen des Lemming“ unübertroffen bleibt. Nicht zuletzt der lokalkolorierte Sprachwitz mit Hang zum feinsinnig Brachialen macht das Buch über weite Strecken zum Lesevergnügen. Dramaturgisch läuft der 300-Seiter gegen Ende allerdings zunehmend aus dem Ruder. Zu übermütig hantiert Slupetzky mit Handlungsfäden und Wendungen und klittert sie zu einer von unplausiblen Zufällen überladenen Auflösung, die man ihm auch als eventuelle Genreparodie nicht abnimmt. Wie sich Slupetzkys Hobbyschnüffler auf der Leinwand schlägt, wird man im Herbst sehen. Dann kommt die Verfilmung des Lemming-Debüts „Der Fall des Lemming“ mit Fritz Karl und Roland Düringer ins Kino.

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