Nach Konzept-Tragödie und Eskapismus-Ekstase folgt nun der dritte Akt des Holter’schen Popgewitters. Es bleibt weiterhin tragisch und ekstatisch, wird aber viel größer.
Schon lange bevor man sich überhaupt mit der Biografie, geschweige denn mit der Diskografie der Singer-Songwriterin befassen hätte müssen, scheint klar, das Mädel kommt aus einer Künstlerfamilie, vermutlich Akademiker, aber halt schon eher Hippies. Menschen, die die Welt verbessern wollen, aber dennoch mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen. Barfuß vielleicht, aber fest. So stellt man sich schließlich auch Julia Holter vor, wenn man ihr inzwischen drittes Album „Loud City Song“ hört. Mit dem einen nicht unwesentlichen Unterschied, dass sie trotz der im Vergleich zu „Tragedy“ und „Ekstasis“ unzweifelhaft stärkeren gesanglichen sowie instrumentalen Präsenz, sich doch nach wie vor vom sicheren strukturellen Fundament der Popmusik loszureißen liebt.
Julia Holters musikalische (Traum-)Welt steht demnach also doch wieder Kopf, baut mit samtig abgehackten Vocals, leidendem Piano und nostalgischem Lo-Fi-Geraschel derart soundgewaltige Luftschlösser, dass sie dabei alles in ihrer Musik zuvor Dagewesene verschlingt, wieder ausspuckt und dabei einerseits nach verträumter Kate Bush, andererseits nach tödlicher Zola Jesus klingt. Und irgendwie nach Disco. Und nach allem anderen auch. Ähm, wie jetzt? Roter Faden? Das braucht Julia Holter nicht. Nämlich wirklich nicht.
Der zärtliche Opener „World“ wirkt mit entspanntem Gesäusel und der reduzierten Instrumentation wie der Beginn einer Show in einer verraucht-verruchten Jazz-Bar und erinnert mit seiner heißkalten Anmut an die dänische Sängerin Rebekka Bakken. „Horns Surrounding Me“ hingegen startet mit Keuchen, gipfelt dann unerwarteterweise in sehnsüchtigem Austra-Drama, klingt dabei auf anziehende Art und Weise schief und unperfekt und hört genauso überraschend auf, wie es angefangen hat. Super.
„In The Green Wild“ lockt mit zuckersüßem Fast-Sprechgesang, Saitengezupfe in Moll, sogar Rasseln und Percussion-Sounds. Das nachfolgende „Hello Stranger“ ist wiederum sphärisch angehaucht, die Vocals bauschen sich auf, werden stark und pur. Später dann noch zauberhafte Filmmusik, Wohnzimmer-Bescheidenheit und richtig viel Gefühl. Genauso super.
Man weiß nicht recht, wie einem geschieht mit Julia Holter und ihrer total unprätentiösen Alles-Wollen-Attitüde. Nachdem es aber schließlich auch eine Beinah-Alles-Können-Attitüde ist, sollte man es fast super finden.