Magnetic Man

Tänzeln auf dem Obergrund
Post-Dubstep kann auch Pop bedeuteten. Magnetic Man begeistern die Massen mit der endgültigen Harmonisierung eines britischen Sounds, der bisher halb im Untergrund brodelte.

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Post-Dubstep ist das neue Wort der Stunde. Jünglinge wie Mount Kimbie, Joy Orbison, Shed oder James Blake werden als abstrahierende Erben eines britischen Genres gefeiert, das 2005 mit Kode9, Burial oder Skream begann zu brodeln und sich mächtig ausdifferenziert hat. Heftige Basssounds werden neuerdings mit Grooves, Samples und Gesangsharmonien durchsetzt und auf kleinteilige, harmonische Elektronikflächen heruntergebrochen. Die einst so dunklen Sphären hellen auf. Soweit die eine Seite der Medaille, die andere, im Stroboskop-Licht glänzende, liefern Magnetic Man. Während sich die eben genannten Dekonstrukteure um die alteingesessenen Kunstfreunde und den experimentierfreudigen Nachwuchs kümmern, schmieden Magnetic Man Hymnen für ewige Teenager, die sich von Untergrund-DJs allerhöchstens eingängige Pop-Remixes wünschen. „Dubstep’s architects are giving bass music back to the kids“, postuliert das Meinung machende, britische Popmedium /NME/ zu ihrem Debüt. Stichwort: Festivalmusik.

Die Hüter des heiligen Dubstep-Grals sind dagegen entsetzt. Im Internet missbilligen sie die ehemaligen Helden Skream, Benga und Artwork. »Sell Out« wird ihnen vorgeworfen. Angefreundet hat sich das Trio übrigens vor über zehn Jahren im legendären Plattenladen Big Apple, einem früheren Bauchnabel der Szene. Als Dubstep-Supergroup erobern sie jetzt die Charts mit Hits, die besonders in Großräumen abseits des Londoner Fabric funktionieren. »If we don’t do this, someone else will and they might not have done all the grafting and groundwork«, wischt Benga Vorwürfe vom Tisch. Skream ergänzt: »We’re so used to hearing shit on the radio that we think that’s what pop music is, but it doesn’t have to be.« Raus aus dem Untergrund, rein in den Pop und von dort aus zerstreuen? Als umtriebige, erfolgreiche Produzenten wissen sie um die enttäuschten Erwartungen von Dubstep-Hardlinern und sie wissen ihre Qualitäten zu kontrollieren. Davon zeugen 14 Songs, die schnell in die Beine gehen und auf vorbehaltloses Tanzen abzielen. Die eingängigen Singles mit UK-Funky-Darling Katy B sind süßliche Selbstläufer, ebenso die Hymne »I Need Air« mit Angela Hunte. John Legend eröffnet einen amerikanischen Markt mit interessantem Soul-Step (»Getting Nowhere«). Rumpelnde Bass-Stücke wie »The Bug«, »K Dance« oder »Karma Crazy« brechen das Bild eines glatten Dance-Pop, bleiben aber stets melodiös. Magnetic Man haben Dubstep harmonisiert und erfolgreich in den Pop überführt. Die dafür gemachten Abstriche bedeuteten abwechslungsreiche Songs, die weder langweilig noch tiefschürfend klingen, aber verdientermaßen hörenswert sind.

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