Ein glitzerndes Pop-Wunderland
Das moderne Märchen des MySpace-Musikers, der über Nacht zum Weltstar wird, ist für Adam Young alias Owl City Jahre nach dem Hype in Erfüllung gegangen. Er führt klassische Indie-Ästhetik mit unlauteren Mitteln an die Chartsspitze.
Beim Erstkontakt mit Owl City, hierzulande etwa jüngst durch die Hitsingle „Fireflies“, dürften nicht wenige verwundert die Suchmaschine ihres Vertrauens bemüht haben: Haben die Sub Pop-Elektroniker Postal Service wieder zueinander gefunden und eine neue, jedoch langweilige Single produziert? Uptempo-Synthiepop mit deutlichen Indie-Anleihen, Drummachine-Beats, eine glasklare Stimme. Und dennoch: Irgendetwas stimmt nicht.
In Zeiten, in denen auf MySpace täglich tausende Selbstverwirklicher um Aufmerksamkeit buhlen, avancierte Owl City innerhalb kürzester Zeit zum Internet-Superstar. Für den 23-Jährigen aus Minnesota, der seine Songs im elterlichen Heim produzierte, ging es Schlag auf Schlag: Major-Vertrag, Spitzenpositionen in diversen Charts, eine ausverkaufte Welttournee, 27 Millionen Clicks auf seiner Seite. Schlaues Handling des Web 2.0 seinerseits war ebenso ein Grund dafür wie die aktive Suche der Major Labels nach vermarktbaren Musikern aus dem Underground-Bereich.
Durchsetzt von „Dabdadab“-Gesängen und Handclaps versprüht „Ocean Eyes“ permanent Summerfeeling. Rhythmen, Tempo, Harmonien, alles bleibt im schmerzfreien Radio-tauglichen Rahmen. Vocoder-Stimme und Eurodance-Elemente treten nicht als witzige Zitate in Erscheinung, sondern fungieren als Mittel zum Zweck, die Songs auch für den Dancefloor kompatibel zu halten. Die Moral wird in den Lyrics ebenfalls mitgeliefert: In „Dental Care“ wird der Empfehlung, brav Zähne zu putzen, ein „Don´t Drink And Drive“ beigefügt, Liebe tritt nur als jugendfreies „Zuhause-Gefühl“ auf. Dass Adam Young außerhalb des Albums auch vor einem „Christmas Song“ nicht zurückschreckte und Gott als seine wichtigste Inspirationsquelle bezeichnet, scheint nur noch logische Folge.
Zu seinen musikalischen Einflüssen zählt er viele im Underground verhaftete Bands wie Boards Of Canada, Prefuse 73 oder Sigur Rós. Die Tatsache, dass die Kombination aus solchen Hörgewohnheiten, dem Sound von Postal Service und seinem zweifellos vorhandenen Songwriting-Talent zu einem derart stromlinienförmigen Produkt wurde zeigt, wohin laufender Major-Raubbau an Indie-(Synth-)Pop-Ästhetiken führen kann.