Peanut Butter Blues & Melancholy Jam

Hellwach wie ein Schlafwandler
Wenn es um die Transzendenz von Sprechgesang geht, bleibt London auch 2011 der Nabel einer innovativen Rap-Welt. Ghostpoet taumelt indes verträumt durch sein Debüt und wir versinken in dessen hypnotischen Sog.

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Nachdem sich Schall und Rauch verziehen, erwacht London mit verhallendem Bassdruck zur Morgendämmerung. Durch die Straßen schlafwandelt Obaro Ejimiwe und erzählt von seinem Leben. Seit seiner EP »The Sound Of Strangers« (Sommer 2010) tritt der Mittzwanziger mit der bedachten Jazz-Stimme als Ghostpoet künstlerisch in Erscheinung. Genauso sprichwörtlich wie sein Pseudonym klingt, genauso hören sich seine Produktionen auch an. Mit einer gespenstisch schimmernden Mischung aus Downbeat, Trip Hop, IDM, Dub und Post-Dubstep kleidet er seinen behutsamen Sprechgesang ein, was besonders Gilles Peterson zu schätzen wusste und ihn zum neuen Höchstmaß seines Labels Brownswood Recordings avancieren ließ. Nach der EP von 2010 wird dort sein Debüt veröffentlicht. In Anschluss an das erst kürzlich erschienene Meisterwerk von Romantiker James Blake liefert Ghostpoet hiermit den nächsten großen Wurf aus Großbritannien. Gemein ist beiden Nachwuchshoffnungen ihr müheloser Umgang mit dem Erbe von Dubstep, der Hang zu melancholischen Echoräumen und der pointierte Einsatz ihrer verhaltenen Stimmen. Der harmonisierende Sprechgesang von Ghostpoet unterscheidet sich von seinem gefeierten Kollegen jedoch besonders durch seine Sozialisierung mit britischem (Bass-)Rap. Vergleiche zu Roots Manuva oder King Midas Sound liegen nahe, werden durch das originelle Debüt aber leichtfüßig in eine weit entfernte Referenzecke verschoben. »I guess a reflection of my life and the world I see around me through a pair of tinted glasses.« Was wie ein beiläufiger Stehsatz klingt, trifft den Ton seiner Songs sehr gut. Mit durchwegs entschleunigter, zum Teil fast murmelnder Stimme berichtet Obaro von seinen Alltagsbefindlichkeiten im wolkenverhangenen London. Häufig bewegt er sich dabei zwischen aufhellender Afterhour und schattierender Katerstimmung, was er mit düster brodelnden Step-Beats, sphärischer Stückwerkelektronik und pumpenden Bässen sanft unterstreicht (bestes Beispiel: die Single »Cash And Carry Me Home«). In »Longing For The Night« weicht er seinen stolpernden Sound sogar zu flackerndem Synthesizer-Soul auf, während er mit »I Just Don’t Know« die eigenen Unzulänglichkeit zu rumpelndem Synth-Pop reflektiert. In »Gaaasp« verzerrt er sich in rauschendem Dub, bei »Garden Path« unterstützen Vogelgezwitscher und treibende Percussions sein schlurfendes Erwachen. Nicht an den hypnotisierenden Lippen oder im sphärischem Sog von Ghostpoet hängen zu bleiben fällt so schwer, wie die Augen nach einer langen Nacht offen zu halten. Dieser Schlafwandel will ausgekostet werden, bis zur nächsten Dämmerung.

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