Replica

"Retro ohne Nostalgie" Zwischen Zukunftsvision und Rückbesinnung: Oneohtrix Point Never gelingt mit seinem neuen Album ein vielschichtig verzweigtes Werk, dem man technische Versiertheit und die Nähe zur Noiseecke nur zu leicht anmerkt. Samplekunst und Loop-Action aus Brooklyn.

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Daniel Lopatin zeichnet sich als Ford & Lopatin mit seinem langjährigen Kumpel Joel Ford eher als Elektronikliebhaber mit Tendenz zur Tanzbarkeit aus. Sequenzer- und analoge Synthssounds, aussagekräftige Rhythmen und klare Popansagen im Geist der 80er definierten das gemeinsame Projekt. Für Lopatins Solo-Neuerfindung als Oneohtrix Point Never gräbt er tiefer in der Trickkiste. Beim eigenwilligen Setzen von Samples und Synths wird Perfektionismus an den Tag gelegt. Nicht nur die Musik entsteht im völligen Alleingang, die neue Platte wird auch gleich auf dem eigenen, in Brooklyn stationierten Label Software veröffentlicht. Durch eine seltsame Laune der siechenden Musikindustrie wird das Album allerdings vom Branchenriesen Universal promotet, nachdem 2010 noch das unter anderem von /Pitchfork/ schwer gefeierte »Returnal« auf dem Wiener Label Editions Mego veröffentlicht wurde. Das Cover ziert ein Spiegel, in dem sich ein Vampir mit Haaren aus Spaghetti betrachtet – eine Zeichnung von Science-Fiction- und Horror-Illustrator Virgil Finlay aus den 30er Jahren. Es verweist auf die Songs auf »Replica«, blickt hinter die Fassade des Konsums und richtet das Augenmerk auf das, was übrig bleibt, wenn es eigentlich bereits schon wieder verschwunden ist. Soundsamples aus Werbespots der 80er und 90er, die ursprünglich dazu da waren, etwas zu verkaufen, werden hierfür auf »Replica« ihrem Zweck enthoben. Sie bilden die ätherische und abstrakte Soundbasis, die mithilfe von Verfremdungstechniken, wie etwa entstellenden Verlangsamungen, maßlosen Loops und Halleffekten, andersweltliche Stimmungen erzeugen. Lopatin spürt so den Geistern der Konsumkultur nach und verwandelt sie in etwas ganz anderes. Mit einer neuartigen Verbindung von Ambient, Postrock-Strukturen und verhangenen, komplexen elektronischen Soundkonzepten zeigt Lopatin auf, was machbar ist, wenn man in die Zukunft denkt und sich einen Nostalgiegedanken zu Nutzen macht, ohne dabei je nostalgisch zu werden.

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