Roll Deep – Winner Stays On

Wot Do U Call It? Mainstream!
Grime-Urvater Wiley und seine Crew Roll Deep zementieren sich mit ihrem neuen Album endgültig im Mainstream ein. »Winner Stays On« ist ein gefälliger Abgesang auf das ehemals aufregendste Genre aus den Ghettos Großbritanniens.

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Unumstritten ist Wiley der Urvater von Grime. Jenem Genre, das Anfang der Nuller Jahre in London explodierte und erstmals bei seinen »Eskimo Dance«-Raves öffentlich wurde. Als der Produzent/MC begann, seine ruppige Mixtur aus 2-Step Garage, Drum’n’Bass, Dancehall und Rap mit unterkühlten Synthesizern zu zersetzen, nannte er es noch Eski Beat. Doch noch bevor Wiley 2004 mit seiner Single »Wot Do U Call It?« Begriffsfindung und Hype thematisieren und sein außergewöhnliches Album (»Treddin‘ On Thin Ice«) präsentieren konnte, war die Subkultur Grime schon in aller Munde. Bereits 2003 entwuchs sein Ziehsohn Dizzee Rascal dem Underground mit seinem umwerfenden Debüt »Boy In Da Corner« und schnappte sich den Mercury Prize als Best Newcomer. Wiley musste sich mit Achtungserfolgen begnügen, während seine Sprösslinge Dizzee und später auch Kano kommerziell durchstarteten.

Das änderte sich 2005. Als seine Gruppe Roll Deep (in deren Ursuppe einst auch Dizzee oder Tynchy Stryder planschten) die UK-Charts mit zwei Ohrwürmern (»The Avenue«, »Shake A Leg«) besetzten, die so gar nicht nach sperrigem Eski Beat klangen. Roll Deep waren mit Wiley im Mainstream angekommen und trimmten sich auf Massentauglichkeit. Ihr 2008er Album »Return Of The Big Money Sound« entsprach dem Paradigmenwechsel des gesamten Genres. Angeführt von den Gründungsvätern, wurde Grime mit gefälligem Dance Pop und Hip House aufgeweicht. Noch bevor Dizzee »Dance Wiv Me« zum leichtfüßigen Sommerhit 2008 machte, stürmte Wiley mit der Electro-Hymne »Wearing My Rolex« die UK-Charts. 2010 gehen Roll Deep diesen Weg nun zu Ende. Das totgesagte Genre Grime streifen sie auf »Winner Stays On« gänzlich ab, um sich mit einem kitschigen Mix aus Electro House und R’n’B-Pop einer Masse anzubiedern, die vor gut sechs Jahren noch mit subversiver Kraft herausgefordert wurde. Frei nach David Guetta haben Roll Deep fast alle Refrains ihrer elf neuen Party-Pop-Songs mit gefilterten Frauenstimmen überzuckert und klingen entsprechend austauschbar. Diesem erfolgreich abgespulten Muster folgend, eroberten ihre Singles »Good Times« und »Green Light« schnell die Charts. Wissend um das schwindende Vertrauen früher Fans haben Roll Deep im heurigen Sommer das Mixtape »Say No More« gratis im Internet veröffentlicht. Auf 22 Tracks retten sie vorauseilend die Ehre ihrer Wurzeln. Unter der Oberfläche darf Grime also noch immer blühen und tut es anderswo auch – im Austausch mit Dubstep oder UK Funky, zwischen britischen Betonschluchten und Internetforen. Doch was Wiley und Roll Deep ebendort als kreative Pioniere einst begannen, beenden sie heute als Pyrrhussieger in langweiligen Großraumdiscos.

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