„Sozialstaat für Dummies“ könnte die neueste Doku-Polemik von Michael Moore auch heißen. Denn wenn Nordamerikas populärster Linkspopulist hier das US-Gesundheitssystem an den Pranger stellt, dann geht es ihm nicht um Details der Krankenversorgung, sondern ums gesellschaftliche Ganze: Hier (USA) raffgierige Versicherungskonzerne, käufliche Politiker und wehrlose Arbeitermassen, dort (Frankreich, Großbritannien, Kanada als Gegenmodelle) mündige Bürger, sozialer […]
„Sozialstaat für Dummies“ könnte die neueste Doku-Polemik von Michael Moore auch heißen. Denn wenn Nordamerikas populärster Linkspopulist hier das US-Gesundheitssystem an den Pranger stellt, dann geht es ihm nicht um Details der Krankenversorgung, sondern ums gesellschaftliche Ganze: Hier (USA) raffgierige Versicherungskonzerne, käufliche Politiker und wehrlose Arbeitermassen, dort (Frankreich, Großbritannien, Kanada als Gegenmodelle) mündige Bürger, sozialer Zusammenhalt und kostenlose medizinische Versorgung für alle. Diesen Grundentwurf mag man (zurecht) für übertrieben einfältig halten. Er ermöglicht in „Sicko“ aber zumindest genauso viel wie er verhindert: Die Fallgeschichten geprellter Krankenversicherter und reuiger Versicherungs-Angestellter, die Moore in der ersten Hälfte des Films flott ansammelt, ergeben das beunruhigende Mosaik einer vom Kapitalismus übertölpelten Nation. Die Analyse der politischen Ursachen kommt zwar über einzelne Sündenböcke kaum hinaus, aber Moores zornige Verweise auf die Allmacht des Lobbying und seine irrwitzige Collage antikommunistischer Hetzkampagnen treffen in aller Patzigkeit doch entscheidende Punkte. Dass Moore dann den Ausweg aus der diagnostizierten Misere vor allem in schamlos romantisierten Europabildern und noch schamloseren Selbststilisierungen sucht (Stoßrichtung: Frank Capra, George Soros und Charlie Brown in einem), hinterlässt aber doch einen entschieden bitteren Nachgeschmack.
