Die US-amerikanische Comics Szene reift langsam aber stetig heran und damit einher geht auch das Interesse an Comic Books aus dem Rest der Welt. Daher komm mit großer Verspätung – die Originalversion von „Le Tueur“ erschien bereits 1998 – die englische Übersetzung eines europäischen Comic-Hit für den US-Markt. „The Killer“ ist äußerst europäisch, könnte man […]
Die US-amerikanische Comics Szene reift langsam aber stetig heran und damit einher geht auch das Interesse an Comic Books aus dem Rest der Welt. Daher komm mit großer Verspätung – die Originalversion von „Le Tueur“ erschien bereits 1998 – die englische Übersetzung eines europäischen Comic-Hit für den US-Markt. „The Killer“ ist äußerst europäisch, könnte man sagen. Der antagonistische Protagonist (Antiheld ist hier keine zutreffende Bezeichnung) ist ein Auftragskiller, ein relativ junger Mann, scheinbar emotionslos mit seiner „Arbeit“ verbunden und mit einem klarten Ziel vor Augen. Statt der Action- und Adrenalinspritze warten wir stattdessen mit dem namenlosen Attentäter auf sein Opfer, blicken in seine Erinnerungen, versuchen seinen Gedanken zu folgen. Und hier erkennt man auch den klischeehaften europäischen Touch: pseudomoralische Gedanken zur Moral der Menschheit, idealistisch naive Weltanschauung eines schlechten Menschen, dessen moralische Fragwürdigkeit ja dann auch die Grenzen zwischen richtig und falsch verwischen soll. Eine Standardübung für das, was man als Archetyp des europäischen Krimi-, Thriller- oder Noir-Comics kennen gelernt hat, meisterlich exerziert von Tardi und sehr oft mit mäßigen Resultaten imitiert. Das soll jedoch nicht heißen, dass „The Killer“ langweilig und unzufriedenstellend ist. Die durchschaubare und platte Handlung nehmen zwar etwas Spannung aus der Erzählung, aber genau so wie „Leon, der Profi“ trotz derselben Mängel ein guter Film ist, so ist auch „The Killer“ ein gutes Comic Book oder „bande dessinée“, wie die Franzosen sagen würden. Ganz ausgezeichnet ist auf jeden Fall Luc Jacamons wundervolle Darstellung. Mühelos erfasst er den Ausdruck des Moments in seinen Zeichnungen, sein Stil ist anscheinend sowohl von Hérge als auch Manara geprägt. Vor allem in drei Sequenzen – einer dynamischen, beklemmenden Verfolgungsszene mit zwei Tauchern unter Wasser, einem harten, paranoiden Traum und einer ruhigen Romanze unter Palmen – zeigt sich die Bandbreite von Jacamons Talent, das auch in jedem einzelnen Panel mit Detail, Ausdruck und farblicher Brillanz glänzt. Warum man übrigens die englischsprachige Version der deutschen vorziehen sollte: die Übersetzung ins Deutsche ist, na sagen wir mal, missglückt. Wer des Französischen mächtig ist, sollte natürlich zum Original, das bei Casterman erschienen ist, greifen.