The Late Great Fitzcarraldos

In die Ferne schweifen

Skandinavien liegt an der Äquatorialgrenze. Zumindest in den Gedanken dreier Dänen, die als The Late Great Fitzcarraldos süße Südseeträume träumen, die berühmt-berüchtigten Kitschinseln dabei aber sehr souverän umschiffen.

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Die Flugzeit von Kopenhagen nach Guatemala, Fahrt vom Flughafen zum Strand mit eingerechnet, beträgt neun Sekunden. Solange dauert es, bis sich bei »Steeldrum«, dem ersten Song auf dem selbstbetitelten Debütalbum der dänischen Band The Late Great Fitzcarraldos, ein Teppich aus synthetisch-geknüpften Südseeträumen zu entfalten beginnt. »If you’re feeling lost, then I can set you free«, tönt es, und Tobias Buch-Andersen (an Vocals und Keyboards), Jacob Funch (an Vocals und Gitarre, auch Mitglied der sehr empfehlenswerten Band I Got You On Tape) und Jakob Millung (an Vocals und Bass, Teil des ebenfalls empfehlenswerten Choir Of Young Believers) versprechen nicht zuviel. Dabei ist das Album der Band mit dem seltsamen Namen überall entstanden, nur nicht in den Tropen. In einem Apartment in Los Angeles, in einem besetzten Haus in Berlin, und natürlich zu Hause, in Skandinavien. Die Idee, entspannte, verträumte, exotische Musik zu machen, erwuchs in den Straßenschluchten New Yorks, wohin sich die drei Mittdreißiger nach Abschluss ihres Studiums am Musikkonservatorium in Kopenhagen auf Inspirationstrip begeben hatten.

Das erscheint alles widersprüchlich. Ist es auch, und diese Gegensätze spiegelt auch der Bandname wieder. Dieser leitet sich aus zwei Klassikern ab, dem gesellschaftskritikgetränkten Roman »The Great Gatsby« von F. Scott Fitzgerald und Werner Herzogs Film »Fitzcarraldo«, mit Klaus Kinski in der Hauptrolle. In dem Film träumt der besessene Opernliebhaber Fitzgerald davon, ein Opernhaus mitten im peruanischen Dschungel zu errichten. Da der Flussweg versperrt ist, lässt Kinski das Schiff über einen Bergrücken zu ziehen, um zum Ziel zu gelangen. Es gelingt. Und es ist diese Idee, scheinbar komplett widersprüchliche Dinge miteinander doch irgendwie zu vereinbaren und diese Vereinbarung mit an Manie grenzendem Eifer zu verfolgen, die Buch-Andersen, Millung und Funch so fasziniert.

Und die Rechnung geht auf. Otis Redding, Paul Simon und Bob Marleys Wailers winken von der Hängematte gegenüber, wenn die Dänen bei »So You Wanna Go Down« Gitarren, Omnichord und Hawaiiröckchen auspacken. Das liest sich furchtbar kitschig, klingt aber nicht so. »The Late Great Fitzcarraldos«, das Album, ist eine mehr als runde Sache, die es tatsächlich schafft, den Hörer für die Laufzeit von einer knappen Dreiviertelstunde in schöne Welt aus schwülem Soul und plätscherndem Pop zu transferieren. Wer länger im Süden bleiben will, braucht nur Repeat zu drücken. Das ist durchaus empfohlen und verursacht auch garantiert keinen Sonnenbrand.

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