In Corpore Sano – Im Multiversum der Helden ist noch nicht jede Geschichte aufgebraucht. Beweis: »The Strange Talent Of Luther Strode« als Aphorismus überdrüssigen Heldentums.
Charles Atlas war ein Lügner und ein Pionier. Von den Rückseiten billiger Comic-Books versprach er den von Unsicherheiten gepeinigten Geeks eine Neuerfindung ihrer selbst. Hier war der stählerne Körperbau angepriesen, den jeder in kürzester Zeit mit der »Dynamic Tension«-Methode erreichen konnte, der sie von der Unterjochung der Grobiane befreien würde. Mit diesen Muskeln, die ihre eigenen sein könnten, konnten sie sich das Mädchen und das Leben ihrer Träume sichern. Das war die Lüge. Zugleich aber auch die Speerspitze einer Verwebung, ein Metameme. Der billige Schwindel von Charles Atlas sagte also auch: »Superman ist eine Idee. Warum kannst nicht du diese Idee zu deiner Wirklichkeit werden lassen?« Justin Jordan beginnt »The Strange Talent Of Luther Strode« kurze Zeit nach solch einem Gedanken. Vorher war da Luther, der schwächliche, mit Komplexen beladene Nerd, wie er einer Anzeige in einem Comic-Book folgt und einen Body-Building-Kurs bestellt. Vorspulen. Luther ist übermenschlich stark, kann die unmittelbare Zukunft vorausahnen und durch deine Haut durchsehen. Luther Strode weiß es noch nicht, aber ein erschreckend moralfreier Mann ist auf der Suche nach ihm. Luther Strode hat gerade eben sechs Menschen auf brutale Weise ermordet. Wir wissen nicht, warum oder wer diese Personen waren. Mit diesem Bild eröffnen Tradd Moore und Felipe Sobreiro den knallbunten, bitterernsten Bilderreigen. Dieser Luther, er ist ein Teenager, seine neuen Kräfte sind ein Abenteuer für ihn. Und auch wenn er spürt, dass er langsam die Kontrolle verliert, die Versuchung ist einfach zu groß, um zu widerstehen. Jordan erlaubt uns subtile Teilnahme an den Gedanken Strodes. Dann, wenn er seinem Schwarm hinterher seufzt, und später, als sie ihn in seinem Zimmer besucht. In der einen Sekunde, in der er ruhigen Blutes dem High School Tyrann Kontra bietet, und in der nächsten, in der er sich vorstellt, wie er alle mit seinen neuen Kräften niedermetzelt. Das Ganze in Zeichnungen, die so überdreht wie auch detailliert sind – cartoonhafte Gewalt, die Zähne, Gehirnmasse, Sehnen und gebrochene Knochen enthalten. Teenager, die sich merklich verändern, ohne Teen Wolf oder plötzlich Millionäre zu sein. »The Strange Talent Of Luther Strode« ist insofern von Grant Morrisons »Flex Mentallo« geprägt, als das sich Justin Jordan auch dem Impuls des Charles Atlas und seiner Strongman-Weltverbesserer-Mentalität folgt. Aber wo Morrison in zerebralen Konzepten stocherte, erwägt Jordan die Realität einer solchen Begebenheit. Der Teenager wird zum Held, nur, was bedeutet »Held« für diesen jungen Menschen? Dass auch in traditionellen Gefilden neue, aufregende Storys zu finden sind, ist hiermit belegt. »The Strange Talent Of Luther Strode« erscheint in sechs Teilen bei Image Comics.