Editors runderneuert: neue CD, neue Besetzung, neuer Sound = großes Pathos, große Gefühle, großes Kino.
Beim ersten Hördurchgang dachte ich noch, dass es sich hier um eine andere Band handeln müsse, zumindest klang das nicht nach den Editors, die ich kenne und schätze. Ein Blick in den Pressetext bestätigte ein wenig meine Vermutung. Gründungsmitglied und stilprägender Gitarrist Chris Urbanowicz wurde gebeten, die Band zu verlassen, ersetzt wurde er sicherheitshalber gleich doppelt, durch Justin Lockey (Gitarre) und Elliott Williams (Keyboards, Gitarre).
Die Gefühle waren anfangs durchaus gemischt. Starker, getragener Albumopener („The Weight“), noch stärkerer Nachfolgesong („Sugar“, dessen Drum/Bass-Groove sehr an King Of Leon´s „Crawl“ erinnert) und die bereits bekannte Singleauskoppelung „A Ton Of Love“, ein furioser Hitkracher und eine clevere Mischung aus U2, Simple Minds und Pearl Jam.
Was dann folgt, ist zunächst gewöhnungsbedürftig, eine schmalzige Pianoballade mit Falsettgesang („What Is This Thing Called Love“), da musste ich erst mal durch tauchen. Auch insgesamt beinhaltet das Album sehr viele balladeske Lovesongs und Midtempo-Nummern, aufgepeppt durch üppige Streicherarrangements („Nothing“) und Bläsersätze („Honesty“).
Nur wenige Momente erinnern an die „alten“ Editors, etwa die etwas rocklastigeren Songs „Formaldehyde“ und „Hyena“, während die reduzierte Country-Folk-Ballade „The Phone Book“ nicht so recht zünden kann, und das obwohl Tom Smith stimmlich hier Bruce Springsteen sehr nahe kommt. Smith zeigt sich als Songschreiber wie auch Sänger deutlich gereift und hat seinen Bariton deutlich nach oben ausgedehnt, manchmal vielleicht etwas zu viel des Guten, etwa wenn er phasenweise auf den Spuren von Bono wandelt (die geschriene „Desire“-Passage in der Vorab-Single „A Ton Of Love“). Einflüsse anderer Bands und Künstler hört man über das gesamte Album verteilt, auch textlich, so verwendet Smith in „Two Hearted Spider“ zwei Zeilen aus dem Police-Überhit „Every Breath You Take“ („every move you make… every smile you fake“) – Zufall, oder einfach nur gut geklaut?
Auch wenn vieles an oder bereits über der Grenze zum Kitsch und großen Pathos steht, entwickeln die Nummern, vor allem beim mehrmaligen Hören, einen süchtig machenden Faktor. Im Gegensatz zum letzten, eher kühlen Synthiepop-Album „In This Light And On This Evening“ klingt auf „The Weight Of Your Love“ alles organisch, warm und sehr gefühlsgeladen. Bestes Beispiel „Nothing“, ein Song, der nur auf Tom Smith´s Stimme und einem Orchester basiert, wunderschön in Szene gesetzt von Filmkomponist Clint Mansell („Black Swan“), im wahrsten Sinne großes Kino.
Es mag ein wenig dauern, bis man sich an die „neuen“ Editors gewöhnt hat. Doch dann offenbart sich mit „The Weight Of Your Love“ ein feines Rockalbum mit wuchtig produzierten Breitwandkompositionen, das möglicherweise das Zeug zum Klassiker hat.