Tucker kredenzt mit dieser Komposition schwer Verdauliches, doch achtlos dessen darf schon ordentlich zugelangt werden – schmecken tut’s ja.
Man kann ja von der fragwürdigen Bezeichnung Freak Folk halten, was man will, aber scheinbar haben die Pioniere dieses (Pseudo-)Genres – beispielsweise die Schnurrbart tragenden Gruselschwestern von CocoRosie, die engelsgleiche Harfenzupferin Joanna Newsom und der verwachsene Devendra Banhart – einschlägige Konkurrenz von der britischen Insel bekommen. Alexander Tucker nämlich begibt sich mit seinem mittlerweile fünften Album mit großer Selbstsicherheit auf das dünne Eis der psychedelischen Stimmüberlagerungen und atmosphärischen Klangexperimente. Avantgarde sagt man angeblich dazu – quasi fortschrittlich zu Deutsch.
Alltäglich ist sie jedenfalls wirklich nicht, die neue LP „Third Mouth“. Das beginnt schon bei der Beschreibung des Albumtitels. Tucker spricht vom Konzept eines dritten Mundes anstatt eines dritten Auges – eine besondere Stimme sozusagen, welche als Verbindungskanal zwischen der hiesigen und einer oder mehrerer weiterer Welten fungiert. Schon ein bisschen freaky. Einen ebenso wenig faden Beigeschmack haben die einzelnen Stücke auf dem Album, in denen neben ausgetrockneten Seepferdchen, Science-Fiction-Novellen und einem geheimnisvollen Ort aus „Der Herr der Ringe“ auch die christliche Mutter und die feste Freundin die vermeintlichen Protagonisten darstellen. Schon ein bisschen mehr freaky. Unterlegt werden diese thematischen Sonderlinge mit nicht minder außergewöhnlichen musikalischen Klängen und Farben. Beinahe jeder einzelne der neun Titel scheint zärtlich auf einer kleinen Schnittfläche zwischen sanftem Psychedelic Rock, Ambient Pop und progressiven Songstrukturen lokalisiert zu sein, auf der auch Celli, Synthesizer und Xylophone ihren Platz gefunden haben. „The Glass Axe“ stellt das längste und intensivste Stück der LP dar und handelt von einer zerbrochenen Glasscherbe in der Form eines Axtkopfes. Die dahintersteckende Symbolik umhüllt das komplette Album – leicht zerbrechlich und fein, jedoch gleichzeitig spitz und gefährlich.
Einordnen lässt sich „Third Mouth“ nicht wirklich – auch nicht, was den Geschmack und die Vorlieben betrifft. Ein mutiges Eintauchen in Tuckers Metaphorik und ein vorsichtiges Hören auf die potentielle dritte Stimme aus der anderen Welt kann sich trotzdem lohnen.