This Ain’t California

Betonspielplatz DDR – »This Ain’t California« schwärmt davon, wie sich auch DDR-Teenager in den 80ern ihre Straßen subversiv auf Skateboards aneignen. Als originelle, märchenhafte Doku ist der Film gleichzeitig eine berauschende Ode an Jugendkulturen.

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Im Fachjargon beschreibt ein Wallride einen Trick, bei dem man sich mit dem Skateboard gegen eine Wand stemmt und an dieser entlang fährt. Vorausgesetzt, die gegebenen Fähigkeiten und Umstände lassen das zu. Bei »This Ain’t California« sind es kreative Jugendliche, die mit selbst gebastelten Boards die Berliner Mauer und den DDR-Überwachungsstaat herausfordern. Trotz lustloser Gleichschaltung kommen sie mit Breakdance, Punk, Pop und eben Skateboarding in Berührung.

Differenziert und spielerisch erzählt Regisseur Marten Persiel von einer subversiven Jugendkultur, die es so nicht hätte geben sollen. Sein Film erbaut sich an der Geschichte dreier Teenager, die das Skaten für sich entdecken. Einer von ihnen heißt Denis, seine Biografie ist Leitfaden der Handlung. Er ist ein antiautoritärer Draufgänger und wird sich beispielhaft vom Regime seines Vaters abwenden, der ihn zum Leistungsschwimmer erziehen will. Außerdem wird er zur Ikone der aufkeimenden Szene werden und diese 1988 sogar zu einem internationalen Contest nach Prag bringen. Anfangs werden die Boards von den Jugendlichen noch aus Rollschuhen und Holzstücken zusammengeschraubt. Selten passieren Westbretter die Grenze (in der BRD werden sogar Gebrauchtwaren für die Genossen gesammelt). Der Weg zur eigenen Szene ist holprig und kurios. Schließlich versucht die Politik den populären Jugendsport zu instrumentalisieren. Sogar ein eigenes DDR-Rollbrett wird schließlich produziert.

In einer wilden Mischung aus Archivaufnahmen, Amateurfilmen, gemalten Animationen und nachempfundenen Szenen wird das Publikum an die vielseitigen Konflikte dieser Generation herangeführt. Freiräume werden erobert und verloren, Kontakte nach Westen geknüpft. All die angeschnittenen Themen und Ideen schafft der Film dann aber auch nicht zu vertiefen. Mit melancholischem Unterton berichten derweil die Zeitzeugen von den Schwierigkeiten dieser Subkultur – von Widerstand, Leichtsinn, Selbstfindung und Freundschaft. Persiel schafft eine sehr romantische Interpretation seiner Protagonisten. So kreiert er bunte, dokumentarische Fantasien einer widerspenstigen Jugend. In geläufiger Musikvideoästhetik lässt er sie den Aufstand zu Punkrock proben und öffentliche Räume besetzen. In der Wiederholung und Melodramatik vieler dieser Clips schrammt das häufig nur knapp am Retro-Kitsch vorbei. Nichtsdestoweniger ist »This Ain’t California« der seit langem originellste und berauschendste Kinobeitrag zur DDR.

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