XOXO

Selbstverwirklichung mit Mehrwert
Casper erforscht mit seinem zweiten Album »XOXO« den Mehrwert von HipHop. Seine eindrucksvolle Selbstverwirklichung zwischen den Genres ist eine große Geste deutscher Popmusik.

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Konzeptalben sind keine Seltenheit mehr im deutschsprachigen HipHop. Selbst wenn die mediale Außenwahrnehmung häufig von dumpfen Provokateuren dominiert wird, war die Szene noch nie so reichhaltig wie heute. Deutschrap blüht in bunten Farben, Stilen und Alter Egos. Die Messlatten hängen hoch. Mit seinem zweiten Album bricht Casper diese Messlatten einfach übers Knie.

Wer die Szene beobachtet hat, weiß, dass der aus Bielefeld kommende Benjamin Griffey zu den gefragtesten Talenten gehört. Seine ersten Veröffentlichungen und Mixtapes werden mittlerweile zwischen Amazon und Ebay für weit über 100 Euro gehandelt. Emo-Teenager können sich auf die Reibeisenstimme des hübschen Röhrenjeansträgers ebenso einigen wie breitschultrige Gangsterrapper. Bis vor Kurzem war Casper bei Selfmade Records unter Vertrag, dessen Aushängeschilder von Zuhälterei schwärmen (Kollegah) oder über Gewaltfantasien witzeln (Favorite). Doch der auch in Hardcore-Bands sozialisierte Cas‘ hat sich mit seinen ausdrucksstarken Reimen und spannungsgeladenen Performances einen ganz eigenen Ruf aufgebaut. Einen, der dank energetischer Punkrock-Delivery und einfühlsamen, introspektiven Texten schon immer nach mehr als nur Rap klang. Stücke wie »Rasierklingenliebe« oder »Hin zur Sonne« sind Youtube-Klassiker.

Das nun dort erscheinende zweite Album »XOXO« ist eine Genre-übergreifender, beeindruckender Wurf geworden. Hier werden existenzialistische Inhalte eines melancholischen und wütenden Endzwanzigers in ein außergewöhnliches Sound-Ambiente getaucht. Hier verdichtet sich HipHop mit Post-Rock, Post-Punk, Synth-Pop und Indietronica zu einer opulenten Sample-Komposition, die nicht selten für Gänsehaut sorgt. In der Blogosphäre ist bereits von Post-Hop die Rede. Sphärische Elektronik, hallende Chöre, wuchtige Drums, fiebrige Gitarren, drückende Bässe, zarte Melodien, vertrackte Rhythmen, Piano, Streicher, Bombast. Dazu der stets pathetische und leidenschaftliche, aber nie peinliche Casper, der seine Biografie reflektiert und eine Generation repräsentiert, die ihre Zukunft einfordert. »XOXO« ist die ambitionierte, selbstbewusste und mitreißende Initialzündung eines Künstlercharakters, der sich verwirklicht hat. An dessen visionärer Originalität wird sich künftig nicht bloß deutscher HipHop messen lassen müssen.

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