Vivienne Causemann erzählt in ihrer autobiographischen Ein-Personen-Performance »King Kong Vivienne« schonungslos über ihren Weg zum Frausein und führt das Publikum in ein emanzipatorisches Abenteuer.
Ein einfaches, in schwarz gehaltenes Bühnenbild. Neonviolette Schrift verkündet leuchtend »swallow«. Auf einer Holzvorrichtung sitzt eine blonde Frau im King-Kong-Kostüm, die schweigend einen Apfel isst. Es ist leise im Saal, man hört nur das Krachen ihres Apfels und das anschließende Kauen. Und dann die Worte: »Ich erkenne ziemlich schnell, ob jemand magersüchtig ist.«
Mit diesem Satz beginnt die Schauspielerin Vivienne Causemann ihre autobiographische Performance »King Kong Vivienne« inszeniert von Fanny Brunner. Sie legt damit den Finger direkt dorthin, wo niemand gerne hinschaut. Entwaffnend ehrlich führt Causemann das Publikum in eine Welt, die lange die ihre gewesen ist: die der Essstörung. Nach und nach skizziert sie ihr Leben zwischen Kliniken und dem renommierten Max-Reinhardt-Seminar, in das sie gleich nach ihrer Schulzeit aufgenommen wurde, und erzählt vom Balanceakt zwischen Essen und Hungern.
Dabei schafft Causemann es, die Thematik dem Publikum mit der richtigen Portion Ernsthaftigkeit und Witz näher zu bringen und berührt mit ihrer schonungslosen Ehrlichkeit (»Ich wollte schwach sein dürfen«).
Frau werden – at what cost?
Wie sich gesellschaftliche Normen auf die Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen auswirken, führt die Schauspielerin in den 85 Minuten ebenfalls vor Augen. Themen wie Sex, Pornografie, Lust und den damit einhergehenden Erwartungen schildert Causemann gewitzt und beeindruckt mit dichten, theoretischen Textpassagen etwa über die Ursache des Begehrens oder der ökonomischen Bedeutung des Gelegenheitssex in der heutigen Zeit. Über allem liegt dabei der vehemente Wunsch nach Selbstbefreiung und Emanzipation, den sie mit beeindruckenden eingeschobenen Gesangseinlagen – mal am Klavier, mal an der Gitarre – zum Ausdruck bringt.
Dass all die behandelten Themen kein leichter Tobak sind, liegt auf der Hand. Dass es der Schauspielerin dennoch mit wenig Requisiten und ihrer facettenreichen Stimme gelingt, diese in ihrer One-Woman-Show mit Leichtigkeit für die Bühne aufzubereiten und gleichzeitig mit ihrer vielschichtigen Performance für Lacher im Publikum zu sorgen, beweist Qualität. Authentisch, witzig und klug – die Welt braucht unbedingt mehr davon.
»King Kong Vivienne« wurde am 19. und 20. März 2024 im Dschungel Wien als Gastspiel vom Vorarlberger Landestheater aufgeführt. Das Stück wurde 2023 mit dem Stella-Preis als »herausragende Produktion für Jugendliche« ausgezeichnet.
Dieser Text ist im Rahmen eines Schreibstipendiums in Kooperation mit dem Dschungel Wien entstanden.