Fünf Jahre sind vergangen, seitdem ein Club direkt an die Spittelau „gepflanzt“ wurde. Wir haben mit Johannes Piller-Giroud, dem Geschäftsführer, über die mühsame Pflege dieses Pflänzchens, das Gedeihen der Clubkultur in Wien, Vorurteile und die Kommerzialisierung von Techno gesprochen.
Im letzten Jahr wolltet ihr die Grelle Forelle verkleinern – auch noch zu einem Zeitpunkt, wo schon klar war, dass die Kantine zusperrt und die Pratersauna verkauft wird. Warum habt ihr euch dann doch dagegen entschieden?
Wir haben im Endeffekt gesehen, dass plötzlich sehr viele Menschen sehr gerne zu uns kommen. Das war allerdings gar nicht nach der Schließung der alten Pratersauna, sondern skurriler Weise nach der Neueröffnung der Pratersauna. Somit haben wir noch in letzter Sekunde die Reißleine gezogen und doch nicht verkleinert. Das wäre zu dem Zeitpunkt ein Schuss in beide Knie gewesen. Die zehn Wochen im Sommer haben wir dann dazu genutzt, den Club zu renovieren und zu sanieren.
Aufgefallen ist bei der Neueröffnung danach vor allem der Boden. Was habt ihr euch dabei gedacht?
Zugegeben, ein Parkett in einem Club ist schon verrückt. Es ist nicht die klügste Entscheidung, weil die Putzkosten enorm steigen. Ich glaube, ich bin auch schon dreimal herumgerobbt und habe Kaugummis vom Boden geschabt, aber wir haben mittlerweile Lösungen, wie das besser funktioniert (lacht). Dafür ist Parkettboden zum Tanzen sehr viel angenehmer als Gussasphalt, weil er federt. Akustisch wird es etwas wärmer und ich erhoffe mir eine Einsparung bei den Energiekosten, weil Holz die Wärme ein bisschen hält und abstrahlt.
Wenn ihr verkleinert hättet, wären sich viele große Bookings doch einfach nicht mehr ausgegangen, oder? Richie Hawtin für 500 Leute klingt eher nach Minus…
Ja, das stimmt schon. Aber wir hätten mit Turbo trotzdem genauso weitergemacht. Man muss einen großen Namen bringen, damit viele Menschen kommen, der Club oder die Veranstaltungsreihe ist dabei eher nebensächlich. Bei Turbo ist das vielleicht noch weniger so, weil die Veranstaltungsreihe schon sehr bekannt und emotionsbehaftet ist. Da waren viele große Acts und viele haben gute Erinnerungen daran. Aber ich würde mir natürlich wünschen, dass Menschen auch zu kleineren Acts kommen.
Grundsätzlich hat die Forelle ihr Image gefühlsmäßig schon verbessert… Wie siehst du das?
Die Forelle hat als Club ein Alleinstellungsmerkmal, weil sie nicht historisch gewachsen ist, sondern einfach hingestellt wurde. Es gab deshalb von Anfang an Ressentiments à la „Das machen Rich-Kids“, „Das hat ein Millionär gebaut“, „Das sind nur Döblinger“ und so weiter. Zum Teil gibt es diese Vorurteile noch immer, aber ich glaube, das löst sich etwas auf. Das liegt auch daran, dass jedes Jahr 20.000 neue Studenten nach Wien kommen, die davon nichts gehört haben und sich den Club einfach anschauen.
Zusätzlich liegt es auch an den Personen, die bei uns arbeiten. Wir haben eine sehr geringe Fluktuation und wenn du fünf Mal bei uns warst, kennst du einfach vom Türsteher über die Kassa und die Garderobe alle Gesichter und nach dem zehnten Mal weißt du auch die Hälfte aller Name. Das ist in der Gastronomie eigentlich ein gutes Zeichen. Wir sind in gewisser Weise eine kleine Familie und das kommt sowohl bei den Mitarbeitern, als auch bei den Gästen gut an.
Gut (oder bei manchen auch weniger gut) kommen eure politischen Statements an. Grundsätzlich muss man das als Club nicht tun, warum macht ihr das trotzdem?
Es ist uns deswegen wichtig, weil wir uns nicht durchducken wollen. Wir haben einfach eine Meinung und ich glaube das Clubkultur an sich immer etwas Politisches ist. Nachdem wir nicht von Subventionen abhängig sind, können wir uns auch ein bisschen eine größere Klappe erlauben, als manch andere. Eine Meinung haben und diese auch zu kommunizieren ist einfach ein Luxus, den wir uns gönnen.
Viel von eurer Kommunikation passiert via Social Media. Ihr seid da recht aktiv, für wie wichtig hältst du das?
Social Media ist das Kommunikationsmedium wo am meisten passiert. Wir haben keine Anzeigen in Print, wir haben unsere Website und einen Newsletter, aber unser Hauptkommunikationskanal ist sicher Facebook. Bei diesem Heute-Artikel haben wir uns beispielsweise bewusst gegen eine APA-Aussendung und für Facebook entschieden. Wir hätten uns nie gedacht, dass das so explodiert. Viele Dinge kann man nicht planen. Hätte ich das in Kooperation mit Heute eine Woche vor der Eröffnung geplant, würde ich jetzt wahrscheinlich nicht mehr hier sitzen, sondern großen Unternehmen meine Social Media-Strategien präsentieren.
Ihr habt als Technoclub angefangen und seid mittlerweile sehr breit aufgestellt. Kann ein Club, der nur Techno spielt, in Wien überleben?
In der Größe von der Forelle nicht. Wenn du einen Club für 200 bis 300 Menschen hast, könntest du straight Techno fahren. In unserer Größte geht das nicht, weil es einfach zu wenig Publikum gibt, das ausschließlich zu diesem Genre geht. Ich merke auch, wenn wir am Freitag oder am Samstag ähnlich ausgerichtete Veranstaltungen haben, kann einer von beiden Tagen nicht mehr richtig funktionieren. Es braucht eine gewisse Bandbreite, die wir bei uns aber auch haben wollen. Natürlich wäre so etwas, wie es das Berghain macht und schafft, sehr interessant, aber dafür fehlen gefühlte zwei Millionen Menschen in der Stadt.
Was habt ihr bei Konzerten für Rückmeldungen bekommen? Die Anlage wurde ja auch extra angepasst…
Genau, wir haben unsere Hausanlage um eine Konzertanlage erweitert. Von den Künstlerinnen und Künstlern waren sehr viele sehr angetan. Gäste und Veranstalter waren bisher auch recht zufrieden. Für uns ist das natürlich auch super, weil Leute sehen, dass wir eben nicht nur ein Techno-Club sind, wo Leute verstrahlt herumlaufen. Bei einem Konzert von L.P. letztens haben wir Anfragen von Müttern bekommen, die mit ihren Kindern kommen wollten. Das begrüße ich sehr, weil ich einfach gern eine Bandbreite an Publikum hier habe.
Stichwort Fremdveranstalter, wie siehst du das? Eine Zeit lang gab es ja beispielsweise in der alten Pratersauna fast nur noch Fremdveranstaltungen, ihr mischt das ziemlich durch…
Wir machen ungefähr die Hälfte selbst und die Hälfte machen Fremdveranstalter. Wir setzen uns aber alle sechs bis acht Wochen mit allen Beteiligten an einen Tisch und besprechen, wer welche Termine hat und wer welche Acts buchen will. Ich will hier auch eine gewisse Mitsprache haben. Wenn jemand sagt, ich komme in die Grelle Forelle und ich buche… beispielsweise Oliver Koletzki, dann werde ich sagen: gute Idee, aber das geht bei uns nicht. Das Monatsprogramm muss einfach insgesamt schlüssig sein. Es muss eine gewisse Vielfalt da sein und es muss ein gewisses Qualitätslevel gehalten werden und es muss für alle stimmig sein.
Kein Sonntag ohne Techno hatte vor kurzem eine riesige Veranstaltung in der Marx-Halle mit Function, der auch schon bei euch gespielt hat. Das Event war gratis und wurde von zahlreichen großen Brands gesponsert, wie siehst du sowas?
Ich gebe diese Antwort jetzt nicht als Geschäftsführer der Grellen Forelle, sondern als Privatperson. Ich muss sagen, ich finde sowas für die Szene ganz, ganz schlecht. Während manche Menschen jetzt glauben, sie müssen auf diesen Techno-Zug aufspringen, haben sich andere das hart erarbeitet und sehr viel Blut, Schweiß und Nerven investiert, um das Ding dort hinzubringen, wo es gerade ist.
Mögliches Gegenargument: Vor zwei Jahren hätte man für so eine große Veranstaltung vielleicht Klingande, Flic Flac und Klangkarussel gebucht, heute eben Function. Damit vergrößert sich eventuell auch euer Publikum bei bestimmten Acts…
Aus Sicht meiner beruflichen Position stimmt das natürlich. Als Privatperson finde ich so eine Art von Sell Out für diese Szene absolut nicht gut.
Der Verkauf einer Kultur bringt es auch mit sich, dass Acts immer teurer werden. Wie schwierig ist es aktuell, bei großen Acts noch ein Plus zu machen?
Wir haben aufgrund der letzten fünf Jahre einen sehr guten Kontakt mit sehr vielen Agenturen und mit sehr vielen Künstlern, die immer wieder gerne zu uns kommen. Das verschafft uns einen immensen Vorteil. Hätten wir das nicht, könnten wir ungefähr die Hälfte der Acts, die wir im Jahr bringen, nicht machen, weil wir es finanziell nicht stemmen könnten. Natürlich können wir nur so buchen, dass man einen Break Even hat, der irgendwie verkraftbar ist. Aber es wird natürlich auch durch neue Märkte immer schwieriger.
Sind schwarze Zahlen in Sicht?
Ja. Jeder, der sich mit Unternehmensgründung und Unternehmensführung beschäftigt, weiß, dass man in den ersten drei Jahren kaum schwarze Zahlen schreibt. Wir kommen jetzt ins fünfte Jahr und haben es nahezu komplett auf den Boden gebracht. Darauf bin ich natürlich extrem stolz, das war natürlich eine Teamleistung und jeder hat aus seinem Bereich das meiste rausgeholt. Der normale Gast soll sich keine Gedanken machen, was das alles kostet, aber: Wenn ich 10 Euro Eintritt bekomme, muss ich 20 Prozent Umsatzsteuer und die Vergnügungssteuer zahlen, dann bin ich auf 6,50 Euro netto. Mit diesem Betrag zahle ich Miete, 40 Angestellte, 30 Externe und so weiter. Reich werden wir so auch nicht.
Die Vergnügungssteuer fällt ja ab Jänner weg. Wie groß ist die Erleichterung?
Ja, das wird glaube ich eine große Entlastung für alle in diesem Bereich sein. Die Vergnügungssteuer betrifft ja nicht nur den Eintritt, sondern die Getränke. Sowas kann wirklich Monat für Monat entscheiden, ob man positiv oder negativ aussteigt.
Habt ihr schon einen Plan für den nächsten Sommer? Terrasse, Fußball oder wieder Pause?
Es gibt eine Reihe von Initiativen, wir haben uns aber noch nicht entschieden. Wir haben eine schöne Terrasse, wir haben aber auch vis a vie vom Donaukanal einen großen Gemeindebau. Die Bewohner haben im Sommer natürlich auch gerne ihre Fenster offen und die Menschen bei uns auf der Terrasse haben es öfter recht lustig und lachen auch gerne. Je mehr Leute lachen, desto lauter wird es für die Anwohner. Entweder wir machen eine kurze Betriebspause oder wir überlegen uns einen ästhetischen Lärmschutz. Vielleicht wird es auch wieder Essen geben. Was wir sicher nicht machen: Wir werden uns keinen Pool leisten – ich wüsste auch nicht, wo ich ihn hinstelle oder wie ich ihn finanziere. (lacht)
Aber kein Fußball mehr…
Nein, also bezüglich Public Viewing haben wir diesen Sommer gelernt, dass wir wohl einfach nicht der klassische Ort sind, wo man sich Sportereignisse auf digitalen Geräten ansieht. (lacht) Wir wissen jetzt, wie es funktioniert, es war ein netter Versuch, aber das werden wir eher nicht mehr machen.
Zur 5 Jahresfeier. Nices Booking, welchen Tag bevorzugst du, Herbert oder Ben Klock?
Ich kann es mir nicht so ganz aussuchen, weil ich an beiden da sein muss, aber ich persönlich freue mich mehr auf Matthew Herbert, weil er abgesehen von seinen Produktionen auch eine faszinierende Weltanschauung vertritt. Zum Beispiel, dass er aufhört, Platten zu pressen, weil er die Ölkonzerne nicht unterstützen will. Oder, dass er von London nach Wien mit dem Zug fahren will, um die Umwelt nicht zu verschmutzen. Aber natürlich mag ich auch die grandiosen Alben von House bis Techno und seinen Produktionsstil. Ich glaube, das ist schon ein Ausnahmekünstler. Ich bin wirklich froh, dass wir ihn bekommen haben. Ich bin schon gespannt was er spielen wird, weil er eine irrsinnig große Range hat.
Kommendes Wochenende lädt die Grelle Forelle zur 5-Jahresfeier ein. Zu Gast sind internationale Acts wie Matthew Herbert und Ben Klock, Support kommt aus der lokalen Szene. Wer einen #grellermoment in die Veranstaltung postet, kann zusätzlich einen Hoodie gewinne.