Salz und Säure

The Acid berühren mit ihrer aufs Äußerste reduzierten Musik – nicht ohne Grund eine der Entdeckungen des heurigen Jahres.

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Entwicklungsgeschichtlich betrachtet ist die Vermittlung von Emotionen eine der ursprünglichen Aufgaben von Musik. In Zeiten allgegenwärtiger Musik in Fahrstühlen, Geschäften und Restaurants kann die Emotionalität von und Aufmerksamkeit für („gute“) Musik durchaus leiden. Aber schon der erste Track des Debutalbums von The Acid schiebt dem Aufmerksamkeitsdefizit einen unüberwindbaren Riegel vor und lässt innerhalb von Sekunden eine Gänsehaut aufkommen.

Synchronschwimmer

The Acid, das ist ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Musikprofis, der sich erst weniger als einem Jahr zusammengefunden hatten. Alle drei Musiker haben einen ähnlichen beruflichen Hintergrund. Gemeinsam geben sie ein kongeniales Trio ab, weil ihre Produktionsweise wie von einer unsichtbaren Hand synchronisiert wirkt und weil sie damit Genre-Grenzen mühelos überwinden.

Alles begann Mitte 2013: Damals war der Grammy-nominierte US-DJ Adam Freeland in Los Angeles auf Heimaturlaub, um ein wenig zu entspannen, und traf dort Ry X, den er schon von Australien her kannte. Ry X hatte erst knapp vor seinem Trip nach L.A. mit Frank Wiedemann von Ame unter dem Namen Howling eine 12“ für das Berliner Deep House Label Innervision aufgenommen. So hatten der DJ-Globetrotter Freeland und der Musiker und Sänger X nicht nur genügend Stoff zum Quatschen, sondern sie diskutierten über Arrangements, ganze Musikkonzepte und spielten einander Rohentwürfe von neuen Tracks vor. X und Freeland hatten zwar bei der Musikproduktion unterschiedliche Herangehensweisen, sie spürten aber richtiggehend, dass sie einander ganz hervorragend ergänzten. Schon kurz darauf stieß Steve Nalepa, ein Musiker und Professor für Musiktechnologie, als Dritter zu The Acid dazu. Adam Freeland erklärt: „Alles war im Fluss, es lief wahnsinnig gut und schnell, die Acid-EP war in ganzen neun Tagen im Kasten!“

Album mit kühlem Tiefgang

Nach der ersten, im April erschienen, selbstbetitelten EP entwickelte sich ein richtiggehender Hype um das bis dorthin vollkommen unbekannte Ensemble. Nun, keine drei Monate später, folgt schon das Album „Liminal“. Schon der Opener „Animal“, schon auf der EP enthalten, gibt einen guten Einblick in das etwas dunkel gehaltene und jedenfalls minimalistische Klanguniversum: Alles ist reduziert, einfach alles: die Beats (mit gelegentlichen Echo-Effekten), die Vocoder-angehauchten Vocals und schließlich die Synthesizer und Gitarren, die ebenso raffiniert wie akzentuiert eingesetzt werden. Adam Freeland über den Minimalismus von Liminal: „Wir wollten auch auf dem Album diesen aufs Äußerste reduzierten Sound beibehalten. Bei meinen eigenen Produktionen schaffe ich das nicht, aber wenn jeder dem anderen auf die Finger schaut, kommt das gewünschte Ergebnis auch heraus.“

Dieser minimalistische Sound ist zwar kühl, aber er geht unter die Haut. Und genau in dieser selbstbeschneidenden Reduktion liegt die Stärke dieser Band, die sich im alten Jahrhundert mit einer 8-Spur Tonbandmaschine wunderbar zu Recht gefunden hätte. Natürlich lässt hier James Blake grüßen, dessen Stimme jener von Ry X, dem Sänger der Band, ähnlich ist. Doch kann man das Trio sicher nicht als Blakes Epigonen abtun, sie rocken in ihrer reduziert-energischen Art ordentlich ab. Zweifellos handelt es sich bei The Acid um einen der interessantesten Newcomer Acts des Jahres 2014.

"Liminal" von The Acid ist soeben via Pias erschienen.

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