Sascha Ring kennt man nicht nur als Teil der Electro-Formation Moderat, sondern natürlich auch als Apparat. Sein neues Album trägt den beinahe schon epischen Titel »LP5«. Allerdings verbergen sich dahinter keine großen, dramatischen Gesten, sondern viele kleine Fingerzeige auf das Schöne.
Abgesehen von eurem gemeinsamen Song »Goodbye« habe ich noch eine weitere Verbindung zwischen dir und Anja Plaschg entdeckt. Ihr habt beide schon Musik fürs Theater geschrieben. Bei dir war es »Krieg und Frieden« in Leipzig, bei Anja die »Orestie« am Burgtheater …
Anja war da wieder mal ein wenig schlauer als ich, weil sie die Musik – unter Anführungsstrichen natürlich – nur geschrieben hat. Meine erste Theatererfahrung mit Sebastian Hartmann war ein wenig anders, weil ich einen ganzen Probenmonat mit dem Team in einem dunklen Raum verbracht habe. Und dann auch jede der Aufführungen live begleitet habe, wobei eine Aufführung fünfeinhalb Stunden lang gedauert hat.
Für mich war das also gewissermaßen auch ein Test, wie weit man an die eigene Substanz gehen kann. Gleichzeitig als erste Erfahrung mit dem Theater natürlich auch unglaublich interessant, weil es eben so intensiv war. Interessiert hat mich das deshalb, weil einige Leute schon vor ziemlich langer Zeit damit begonnen haben mir zu erzählen, dass sie Bilder sehen, wenn sie meine Musik hören und mich deshalb immer wieder gefragt haben, ob ich schon einmal darüber nachgedacht habe, Musik zu Bildern zu machen.
Irgendwann habe ich dann im Zentraltheater Leipzig gespielt, damals noch unter der Leitung von Sebastian Hartmann, der das Konzert damals auch gesehen hat. Bei seiner nächsten große Produktion hat er mich dann einfach gefragt ob ich gerne Teil davon sein möchte und ich bin dann, relativ blauäugig, in dieses Projekt hineingegangen. Blauäugig auch deshalb, weil ich bis dahin noch nie Musik für jemand anderen gemacht habe. Sich in eine Umgebung zu begeben, die man nicht hundertprozentig unter Kontrolle hat und am Ende Teil einer größeren Vision von jemand anderem zu sein, war etwas, das ich bis dahin noch nie gemacht habe, und ich fand das gut. Es ist auch schön zu lernen, sich zurückzunehmen und sich selbst vielleicht auch nicht in jeder Sekunde des eigenen Schaffens übermäßig ernst zu nehmen.
Ist es auch diese bildliche Qualität deiner Musik, die ausschlaggebend dafür ist, dass du immer wieder Musik zu Film- und Serienproduktionen beisteuerst?
Dazu muss man sagen, dass es meistens so ist, dass eher die Lizenzen bereits bestehender Songs verkauft werden. Durch meine Erfahrungen mit der Filmlandschaft habe ich aber auch gelernt, dass es ganz häufig einfach vom Geschmack der Editoren abhängig ist, welcher Song in einem Film landet. Während das Material geschnitten wird, packt der Cutter also seine Lieblingsmusik in den Film – sofern der Regisseur oder die Regisseurin das zulässt.
Mittlerweile bin ich bei vielen Menschen einfach auf dem Schirm, da landet schon mal hin und wieder ein Song von mir in einem Film, einem Trailer oder auch in einer Werbung. Da habe ich auch nichts dagegen, solange es dabei um Dinge geht, die ich auch vertreten kann. Das Ganze war einfach ein Prozess und hat über die Jahre hinweg eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Ist ja auch schön, wenn man in einer Welt abseits der Tanzmusik auch wahrgenommen wird.
Wenn man, wie du es beim Film »Il giovane favoloso« von Mario Martone gemacht hast, den Soundtrack für einen Film schreibt, birgt das dann immer auch die Gefahr zu viel vorwegzunehmen?
Filmmusik ist immer ein Stück weit manipulativ. Aber ich habe für mich herausgefunden, dass es eine gute Möglichkeit ist, auch mal auf Kontraste zu setzen, also nicht immer einfach nur das zu erklären, was eh schon passiert – das wäre dann die langweiligste Variante der Filmmusik. Ansonsten kommt es natürlich immer stark auf den Regisseur an, weil jeder Regisseur und jede Regisseurin ganz eigene Vorstellungen davon hat, wie das Endprodukt letztendlich aussehen soll.
Bei dieser Zusammenarbeit lernt man auf jeden Fall sehr viel. Ich habe ja noch nicht so viel Filmmusik gemacht, war dabei aber immer wieder überrascht davon, wie schnell mich jede einzelne Aufgabe darin geschult hat. Anfangs war ich doch noch sehr unbeholfen, jetzt ist es aber so, dass ich da sehr selbstbewusst reingehe und mich immer weniger auf Gelerntes, sondern vielmehr auf Gefühle stütze.
Das war jetzt doch eine sehr intensive Zeit mit Moderat bei dir. Hat es lange gedauert bis du dich auf das neue Apparat-Album einlassen konntest oder ist eher das eine ins andere übergegangen?
Es war nicht das erste Mal, dass ich zwischen den Projekten umschalten musste. Erfahrungsgemäß ist das immer ein sehr schwieriger Prozess. Das erste Mal, nach der ersten Moderat-Platte, hat mich das schon ziemlich aus der Bahn geworfen. Ich musste wieder zurück in meine Apparat-Blase und zum damaligen Zeitpunkt war das schon ein relativ autistisches Territorium. Außerdem habe ich mich durch die Zusammenarbeit mit Modeselektor ein wenig daran gewöhnt im Studio eine zweite oder dritte Meinung zu bekommen. Das beschleunigt Prozesse auch ungemein.
Eine weitere Folge davon ist, dass ich seitdem nicht mehr wirklich alleine Musik machen kann. Ich suche mir für Apparat-Projekte also auch immer jemanden, mit dem ich zusammenarbeiten kann. Bei der jetzigen Platte war es Philipp Thimm, mit dem ich auch die Theatermusik gemacht habe, von der wir vorher gesprochen haben. Der Vorteil war, dass ich diesmal schon ungefähr gewusst habe, was mich erwartet, wenn ich wieder eine Apparat-Platte mache. Es war klar, dass es kein Spaziergang wird, zwischen beiden Projekten umzuschalten.
Ich habe auch relativ früh angefangen an der neuen Platte zu arbeiten, eigentlich gleich nachdem die Moderat-Platte fertig war. Ich bin für eine zweiwöchige Improvisationssession mit der Band ins Studio gegangen und habe Material gesammelt. In den zwei darauffolgenden Jahren habe ich dann probiert aus diesem Material eine Platte zu stricken, das hat aber nicht so richtig geklappt. Ich habe also wieder alles verworfen und neu begonnen.
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