Scheiße, Kreisky!

Es ist Kreisky-Jahr. Weil aber in den hintertriebenen Grantlern von Kreisky auch heimliche Marketeers stecken, veröffentlichen sie ausgerechnet heuer ein neues Album. Wir haben sie gefragt was das soll.

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Blöde Frage zu Beginn – Bruno Kreisky wäre heuer 100 Jahre alt geworden – habt ihr als Band das Jubiläum eigentlich gefeiert?

Wenzl: Nein gar nicht – wir haben uns nur gedacht, dass soviel Kreisky in den Medien eine super Werbung für uns ist.

Trotzdem: Was kann man von der politischen Überfigur der zweiten Republik lernen, oder gibt es vielleicht sogar Ähnlichkeiten zu eurer Inszenierung als Band? Der Kanzler eckte ja häufig an und pflegte einen gewissen Grant …

Offenhuber: Kreisky hatte Ideale und die hielt er einem wirtschaftlich geprägten Gesellschaftsbild entgegen. Dieses Dagegenhalten kann man schon in die eigene Haltung übertragen. Wenn man von seinen Überzeugungen nicht abrückt ergibt sich eine leichte Unangepasstheit automatisch und ist einfach da.

Wenzl: Was die Musik betrifft darf es aber keine krampfhafte Unangepasstheit sein.

Und die ist nach wie vor getragen von Grant …

Offenhuber: Wir haben probiert das Vakuum an Grant, das in der deutschen Rockmusik existierte, zu füllen. Die war ja in den letzten Jahren immer geprägt von sanfter Melancholie, innerer Einkehr und Selbstintrospektion. Da tut es gut, eine grobe, rohe Band zu sein, die nicht ewig jugendlich ist.

Lernt man in Wien das Schimpfen besonders gut?

Wenzl: In Wien kann man schon sehr gut Leute beim Auszucken beobachten. Es ist ganz interessant, was sich manche Menschen so an Feindbildern aufbauen und in der Öffentlichkeit dann rauslassen.

Offenhuber: Die Stadt ist sicher keine schlechte Basis für Schimpfer. Linz, das wir auch sehr gut kennen, kommt einen im Vergleich viel konsensorientierter vor.

Wenzl: Wobei, Linz kann auch sehr grob sein. Allerdings nicht im Zentrum, dort sind eher Raiffeisenkassa und Designer-Brillen angesagt.

Aber gerade da lässt sich doch auch gut drauf schimpfen?

Wenzl: Stimmt, haben wir im übertragenen Sinne auf der neuen Platte eigentlich auch drauf.

Da müssten ja die neokonservativen Lifestyleinszenierungen der Bobos ein gefundenes Fressen für euch sein?

Offenhuber: Die besonders stark ausgeprägten Formen dieses Lifestyles kann man natürlich schon sehr gut angreifen. Das plakativ als Angriffsfläche her zu nehmen ist aber schwierig, weil man ja selbst diese Aspekte sehr gut kennt – es gibt da gewissen Ambivalenzen und Überschneidungen.

Wenzl: Die ganze Bobofrage ist ein heikles Thema. Ich geh zum Beispiel ja auch sehr gerne ins Phil – es ist ein super Geschäft und ich mag Shops, die gut gemacht sind. Man muss eben abstrahieren können. Das Um und Auf bei unseren Texten ist ja nicht worauf geschimpft wird, sondern die Haltung des Schimpfenden.

Wie hat sich die Haltung am neuen Album verändert?

Wenzl: Der Schimpfende zeigt diesmal ein wenig mehr Mitgefühl seiner Umwelt gegenüber. Nach zwei Platten haben wir uns einen fast schon comichaften Ruf als schlecht gelaunte Band erarbeitet. Da ist es gut, die eigene Erzählhaltung zu hinterfragen. Ich hab unlängst ein Interview mit dem Kabarettisten Gerhard Polt gesehen. Sinngemäß hat er gesagt, dass er eigentlich eh alle Menschen mag. Was er nicht verträgt ist, wenn jemand keine natürliche Autorität hat, sich aber anmaßt eine zu haben. Er knöpft sich mit Liebe den grosstuenden Kleinbürger vor. Das ist ein guter Ansatz.

Und ihr seid in den Texten auch ein wenig konkreter geworden. „In Menschen brauchen Liebe“ nimmt sich eine junge Dame zu wichtig und richtet aus Eifersucht und Neid einen emotionalen Flurschaden an …

Offenhuber: Das ist sicherlich erzähltechnisch die konkreteste Geschichte am Album.

Wenzl: Mich hat vor allem interessiert, ob es funktioniert eine Geschichte zu erzählen. Der Slogan gilt ja allgemein als Einsermuster für Poptexte. Ich wollte aber einfach einmal eine Story ohne Anfang und Ende schreiben und dabei einen Charakter ausformen. Und damit aber nicht unbedingt bei der Liedermacherei der 60er und 70er Jahre landen.

Also weg vom Slogan-Pop?

Offenhuber: Es gibt schon noch genug davon am neuen Album. Aber wir wollten das ein wenig aufbrechen. Auch mit dem Öffnen musikalischer Räume, die dann dem Album ein wenig die musikalische Dichte nehmen.

Auf eurer ersten Singleauskoppelung „Scheisse, Schauspieler“ erzählt ihr von Schauspielern, die den Alltag gar penetrant mit der Bühne verwechseln. Wie sind bislang die Reaktionen drauf?

Wenzl: Den Satz „Endlich, das war schon lange überfällig“, haben wir oft gehört. Es hat vor allem Spaß gemacht, einen Berufsstand anzugreifen, der auch mit vielen Vorurteilen zu kämpfen hat, aber an sich sehr angesehen ist – das Publikum identifiziert sich voll mit, bis sie draufkommen, hoppla, jetzt steh ich auf der falschen Seite.

Und ihr scheint es auch beim Videodreh lustig gehabt zu haben, bei dem bekannte heimische Schauspieler wie Michael Ostrowski, Ruth Brauer, Alexander Pschill oder Hilde Dalik euch als Band spielen …

Wenzl: Es war ein sehr angenehmer Drehtag, dafür, dass wir uns nicht gekannt haben. Alles Profis, man muss gleich seine ganzen Vorurteile übern Haufen werfen.

Und es wird im Video auch einiges an Selbstironie sichtbar. Ist das wichtig für euer Schaffen?

Offenhuber: Nein. Wir sind eine seriöse Rockband. Aber auch wenn man Sachen ernst nimmt, darf man sich nicht hundert Prozent selbst ernst nehmen.

Und ein Anzug lässt einen gleich seriöser wirken. Wo sind die eigentlich her, wenn man fragen darf?

Offenhuber: Meiner ist vom Zara.

Wenzl: Meiner von H&M. Kommt auf keine 100 Euro.

Offenhuber: Man muss aber sagen, dass unser Schlagzeuger Klaus bewusster ist, was Mode betrifft. Wir haben deswegen auch mit dem Designer Wilfried Mayer kooperiert, der Maßanfertigungen für uns gemacht hat und uns als Träger für seine neue Kollektion einsetzt.

Und – merkt man einen Unterschied bereits bei der Anprobe?

Wenzl: Es hat sich schon sehr gut angefühlt, ja. Ein Anzug ist halt sehr angenehm zu tragen und gleichzeitig auch eine Bühnenkleidung und wichtig für den Auftritt.

In gewisser Weise vielleicht sogar eine Verkleidung?

Offenhuber: Nein. Ein Konzert ist einfach ein feierlicher Moment und den sollte man würdig begehen. Dafür ist ein Anzug einfach am besten geeignet.

Wer feiert eures Erachtens am Würdigsten. Wer hat die besten Anzüge an im Popbiz?

Offenhuber: Klaus würde jetzt wohl sagen Morrissey. Aber auch Nick Cave und die Bad Seeds sind gut gekleidet.

Wenzl: Ich kenne eine Unmenge schlecht angezogener Bands. Vor allem die 70er Jahre Rock Bands, die ich so höre. Die schauen zum Teil aus – ein Wahnsinn.

Wäre der Auftritt in Modestrecken in Magazinen ein Thema für euch?

Wenzl: Ich hab so etwas schon einmal gemacht. Es war eine interessante Erfahrung.

Offenhuber: Es war aber auch stark gekoppelt an ein inhaltliches Interview zu uns und unserer Musik.

Ihr seid ja neben Kreisky auch in andere Bandprojekte involviert. Franz hat die Kunstfigur Austrofred erschaffen. Der Rest von euch spielt in der Formation Mord

Offenhuber: Wir haben alle eine starke Leidenschaft zur Musik, die auch andere Ventile braucht und uns an musikalische Ränder führt, die weiter außen liegen.

Wenzl: Es ist zudem auch psychohygienisch wichtig, wenn wir alle noch in anderen Bands spielen und Nebenprojekte haben. So werden bandinterne Grabenkämpfe bereits im Vorfeld vermieden, weil jeder seine Energien woanders abführen kann.

Offenhuber: Wir haben außerdem das Glück, dass sich die Konstellation Kreisky zu einem Zeitpunkt ergeben hat, als alle Mitglieder schon ihre musikalischen Hörner abgestoßen haben.

Schnürt das nicht auch ein wenig ein?

Wenzl: Mit Kreisky nicht. Wir haben ein enges Bandkonzept, das wir durchziehen wollen. Eine klare Linie. Da fallen zum Beispiel auch die Devisen „Keine Remixes“ keine „Unplugged-Auftritte“ darunter.

Offenhuber: Schon alleine der Gedanke, dass ich eine akustische Gitarre in die Hand nehme und darauf spiele ist eine Horrorvorstellung. Es ist unmöglich für mich, dass ich mich an ein Lagerfeuer setze und dort was singe. Das kann sich ja niemand anhören. Das ist nicht der Nährboden von dem wir kommen.

Eure Auftritte sind ja generell sehr energisch – ist musikalische Wut ein Nährboden für euch und eine Kategorie, die überall verstanden wird?

Wenzl: Ja, schon. Unsere Musik funktioniert auch ganz gut ohne direktes Textverständnis, wie wir bei Auftritten in Ungarn, Holland oder Frankreich bemerkt haben.

Kann Wut auch zur Antriebskraft auf der Bühne werden?

Wenzl: Natürlich. Aber zuviel ist auch nicht gut. Wenn einem im Umfeld eines Konzertes etwas auf die Nerven geht muss man aufpassen, dass es nicht kippt. Zuviel ausgelassene Wut ist dann nicht gut.

Offenhuber: Wobei die Konzertbesucher genau das dann gut finden, wenn Franz wieder einen seiner Fatalismen auspackt.

Was war in dieser Hinsicht ein fatalistisches Konzert, das euch in Erinnerung geblieben ist?

Wenzl: (lacht) Ich will jetzt keine Städte nennen.

Offenhuber: Naja, der Auftritt in der Poolbar vor ein paar Jahren war schon von einer sehr starken Aggression geprägt.

Wenzl: Es hat schon einige Auftritte gegeben, bei denen ich mich in einen Blutrausch reingesteigert habe, wo es mir den Vogel raus gehaut hat. Mir ist es nachher immer ein wenig peinlich, wenn ich den Konzertgästen ungeschönt alles entgegen schleudere.

Offenhuber: Aber gerade darauf kommt es auch an. Genau das ist das Schöne dran. Niemand will Typen sehen, die einfach ihre Nummern runter spielen. Man will Typen, die das alles irgendwie erleben.

„Trouble“ von Kreisky erscheint am 29. April bei Wohnzimmer / Buback.

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