Was wollen die Schwarzen eigentlich mit Kunst und Kultur? Eine österreichische Identität innerhalb Europas? Private Mäzene? Subventionen? Volkskultur? Oder doch, wie Kritiker meinen, nur eine ökonomische Tourismuspolitik zur Stimmenmaximierung?
Klemens Pilsl, Soziologe und Kulturarbeiter (© Zoe Fotografie)
"Frauen außen vor" Schwarze Kulturpolitik unterscheidet sich von Roter nicht viel. Sozialdemokraten und Volkspartei sind im Laufe der Zeit zu unheimlichen Zwillingen mutiert, deren Motive weniger in der Ideologie als in Machterhalt und Marketing-Strategien liegen. Man muss schon ins Detail gehen, um die Differenzen zu erkennen – etwa im Umgang mit migrantischer Kultur. In Oberösterreich ist die Macht seit Jahrzehnten zweigeteilt: die Schwarzen machen das Land, die Roten die Stadt. Beide sind bereit, gegen den europäischen Trend zu schwimmen: das Kulturbudget wächst trotz Krise, die Utopie vom »Kulturland OÖ« und der »Kulturstadt Linz« verbindet über Parteigrenzen. Da geht es um Kulturhegemonie und Klientelpolitik: Landesmusikschulwerk, Musiktheater, /Krone/-Fest sind hochsubventioniert. Andererseits kann man eine gewisse Visionskraft nicht leugnen: Im Erkennen des Niedergangs der tragenden Industrie setzt die Politik bewusst auf »Kultur« als wirtschaftliche wie gesellschaftliche Zukunftssäule. Etwas naiv, mit Florida-Konzepten und kreativindustriellen Feuchtträumen, aber immerhin. Für die Off-Szene bedeutet das: die schwarzen Kulturreferenten lächeln freundlich und betonen die Relevanz regionalen Kulturschaffens und schieben dann das Geld den tourismusrelevanten, öffentlichen Einrichtungen und den Kreativwirtschaftlern in den Popsch. Aber Ressourcenkämpfe können im ÖVP-Land schon in ungustiöse Männerbündelei ausarten: Bei den schwarzen Landeskulturpreisen und Kunst-am-Bau-Projekten werden in OÖ neuerdings Frauen wieder außen vor gehalten. Ist das die originär schwarze Kulturpolitik? Klemens Pilsl, 34, Soziologe und Kulturarbeiter. Nach Projekten in Linz, Berlin und anderswo stets pendelnd zwischen Off-Szene und Institutionen, derzeit in der Kulturplattform OÖ tätig. www.kupf.at
Juliane Alton, IG Kultur Vorarlberg
"Vorgefundenes verwalten" Im Parteiprogramm klingt am stärksten die Identitätspolitik durch, wie bei einer konservativen Partei nicht anders zu erwarten. Sie tut so, als gäbe es eine gemeinsame Identität einer Gegend zum Beispiel in Europa, der sich die Bewohner unterwerfen könnten. Dann gäbe es eine »gemeinsame europäische Identität«. Die gibt es aber nicht, weil Identität etwas Individuelles, sich Wandelndes ist. Die schwarze Kulturpolitik träumt von einer homogenen Gesellschaft, die es nie geben wird. Ich fürchte, aus diesem Traum wird sie lange nicht erwachen. Dass staatliche Kulturförderung nicht zu »Abhängigkeiten der Kulturschaffenden« führen darf, ist ein weiteres Credo der Schwarzen. Was soll das heißen? »Private Sponsoren unterstützen« – dann nicht doch lieber die Kulturschaffenden selbst? Ist abhängig, wer sich auf öffentliche Aufträge und Förderungen stützt? Dann wären die Landwirte abhängiger als die Kulturschaffenden, ohne dass es die Schwarzen stört. Auch im Jahr 2000, als die schwarz-blaue Regierung mit VP-Kulturpolitiker Franz Morak am Zug war, wurde trotz Ankündigung die steuerliche Absetzbarkeit von Kunstankäufen nicht eingeführt. Wahrscheinlich besteht schwarze Kulturpolitik im Verwalten dessen, was vorgefunden wird, manchmal um repräsentationspolitische und persönliche geschmackliche Noten angereichert. Ausnahmen, die wirklich Kulturpolitik machen, gibt es aber auch im schwarzen Lager. Peter Marboe in Wien war so jemand. Er hat zwei Projekte der freien Theaterszene aufgegriffen und realisiert: Das Tanzquartier und den Dschungel Wien. Doch das war einfach Kulturpolitik, keine schwarze Kulturpolitik. Juliane Alton, 46, Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg, Gerichtssachverständige für Theater und Urheberfragen, Leiterin der grünen Bildungswerkstatt Vorarlberg.
Raimund Holzer, Journalist
"Stimmenmaximierung" Die Ansätze der Kulturpolitik im ÖVP-Kernland NÖ sind zu unterschiedlich, manchmal unverständlich und oft unergründlich – wenngleich auch ein Faktum über allem steht: das unsichtbare Auge, mit dem die offiziellen Stellen in Form von unzähligen, eigenen Strukturen, welche als (Steuer-)Geldgeber überall unverzichtbar sind, das Geschehen überblicken. In den letzten Jahren wurden Hundertschaften von neuen Stellen geschaffen, von der »Volkskultur NÖ« über ein aufwendiges »Musikschulmanagement« bis zum »Theaterfest« mit rund 20 Spielstätten, dem Koloss Schallaburg Kulturbetriebsg.m.b.H., der auch die Landesausstellungen managt bis hin zu Grafenegg, wo in Wolkenturm und Auditorium enorme Summen geflossen sind – und in deren Bespielung weiter fließen. Immer öfter wird in dem Zusammenhang von »Nachhaltigkeit« gesprochen, von Stärkung der Regionen samt deren Fremdenverkehrswirtschaft. Die Konzepte dahinter scheinen dabei unschlüssig und gehen nicht immer auf. Der mächtige Landesherr aber liebt es, inmitten von Kulturschaffenden aller nur denkbaren Richtungen zu stehen – sei es Hermann Nitsch, Marianne Mendt oder die Stifter Geigenmusi. »Seht her, ich bin für alle da!« heißt das wohl. Kulturpolitik in NÖ soll der Stimmenmaximierung dienen, das steht außer Zweifel. Trotzdem kann man Pröll nicht vorwerfen, alles zu vereinnahmen – ein Stück weit Freiheit bleibt für jeden. Und nicht zu vergessen, dass viele ausgezeichnete Leute in diesem komplexen System ihren Platz gefunden haben – und so den großen kulturellen Reichtum dieses Landes wesentlich miterhalten. Raimund Holzer, 56, langjährige Tätigkeit als Journalist, Kulturmanager und Experte für Kommunale Finanzwirtschaft; geschäftsführendes Vorstandsmitglied von scheibbs.impuls.kultur und Kulturpreisträger der Stadtgemeinde Scheibbs.
Bernhard Schragl, Angestellter Erste Bank
"Ökonomische Basis schaffen" In der Kulturpolitik gibt es noch große ideologische Schaukämpfe: Hochkultur vs. Popkultur, Tradition vs. Avantgarde, Regionalität vs. Internationalität, Subkultur vs. Repräsentationskultur. Ihre konkrete politische Umsetzung finden diese Überlegungen überwiegend in den Entscheidungen zur Mittelvergabe, also zur Subvention von Institutionen, Vereinen, Initiativen. Seltener wird diskutiert, wie sehr Subventionen neben ihrem unzweifelhaft wichtigen Potenzial des Ermöglichens das Gegenteil bewirken können: Konservierung, Verkrustung, Institutionalisierung, Verdrängung von Neuem und Abhängigkeiten erzeugend. Oft wurden Subventionen mit inhaltlichen Ansprüchen gekoppelt und das kann niemand, dem es um eine freie Kunst geht, recht sein. »Schwarze Kulturpolitik« hat sich auch mit der Frage beschäftigt, die in einer stark subventionierten Kulturlandschaft oft scheel angesehen wird: Mit der ökonomischen Basis. Die braucht es gerade in der Kunst, wenn eine der kulturpolitischen Grundfragen lautet: Wie kann ich den Künstler in seiner Eigenständigkeit unterstützen und kreativen Entfaltung stärken? Hier ist der Schwarzen Kulturpolitik einiges gelungen: die Umstellung von einjährigen auf mehrjährige Subventionszeiträume, um dadurch längerfristige Planung zu ermöglichen, sei es die Anstrengungen in Sachen Künstlersozialversicherung oder Initiativen in Sachen Urheberrecht. Gemeinsam ist diesen Impulsen, Künstler unabhängiger und damit freier machen zu wollen. Wenn man das als Ideologie verstehen will, dann gibt es auch so etwas wie die Ideologie einer Schwarzen Kulturpolitik. Bernhard Schragl, 43, war Sekretär des einzigen schwarzen Kulturstadtrats in der Geschichte Wiens (Peter Marboe, 1996 bis 2001); später gründete er für die Österreichischen Bundesforste das Location-Service Wild.Media.
Dauerhaftigkeit, Sicherheit, Gemeinschaft und Heimat – ob diese traditionellen und konservativen Grundsätze auch für die Kunst- und Kulturschaffenden gedacht sind? Die Landtagswahlen in Niederösterreich stehen am 3. März 2013 an, da stellen wir uns die Frage: Was ist eigentlich Schwarze Kulturpolitik?
Im ÖVP-Parteiprogramm ist einerseits davon die Rede, dass Verantwortung nicht abgeschoben werden darf. Unter dem Punkt »Kunst und Kultur«, sieht das Ganze etwas anders aus. Hier soll die Politik sich auch einmal raushalten dürfen: »Kulturförderung ist nicht allein staatliche Aufgabe. Wir wollen private Sponsoren unterstützen und durch steuerliche Erleichterungen ermutigen. Private Künstlerinitiativen sind für die Lebendigkeit und Vielfalt des Kulturbereiches unentbehrlich.« Erleichterungen für Stiftungen und Sammler, Absetzbarkeit von Kultursponsoring stehen hier weiter oben, kleinen Initiativen und Gruppierungen das Leben zu erleichtern, eher weniger.
Und wie sehr unterscheiden sich die Roten und Grünen von dieser Linie? Der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny findet, dass Kulturpolitik Qualität, Zugang, Innovation, Offenheit und öffentliche Verantwortung beinhalten muss. Es geht um »Unterstützung von Neuem, das sich gegen den Mainstream, das Marktgängige erst durchsetzen muss« und um »die Freiheit von jeglicher Zensur.« Darin liegt ein wesentlicher Unterschied, dass nämlich laut roter Kulturpolitik möglichst viele Menschen, egal wie arm sie sind, etwas von Kultur haben sollten. Am leichtesten übersetzt sich das in freies Programm, wie dem Popfest, die Eröffnung der Wiener Festwochen oder dem Donauinselfest. Für die VP ist es weniger wichtig, dass Kultur für alle leistbar ist, sie sollte vor allem spitze sein.
Für die Grünen muss Kunst wiederum ständig in Bewegung bleiben: »Kunst und Kultur kann und soll Menschen, aber auch die Gesellschaft bewegen, berühren, irritieren, aus den gewohnten Bahnen werfen – andere utopische Sichtweisen (Mit-)Gefühl, Solidarität und Transzendenz ermöglichen«, meint Klaus Werner-Lobo, Kultursprecher der Grünen Wien. "Transzendenz" … dieses Wort liest man sonst üblicherweise in Programmfoldern für Kirchenmusik. Und "Irritationen" – ein bisschen Subversivität darf bei konservativer Kulturpolitik normalerweise auch sein. Die Frage ist dann eher: Wie viel Subversivität? Hier spalten sich dann grüne und schwarze Ansätze.
Hört man sich bei den Verantwortlichen um, so stößt man immer wieder auf die Unterschiede, die Kulturpolitik in der Stadt und am Land benötigen würden – auch ganz unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Wie sehen das Experten?