Musik aus den Kantonen – Schweiz als Fokusland beim Waves Vienna 2023

Beim Club- und Showcase-Festival Waves Vienna, das morgen eröffnet wird, sind dieses Mal sechs Acts aus dem Fokusland Schweiz zu sehen.

Die Schweiz: so nah und doch so fern. Obwohl sie unser direktes Nachbarland ist, dieselbe Sprache gesprochen wird (zumindest nominell und teilweise) und wir als zentraleuropäische Alpenländer irgendwie doch seelenverwandt sind, scheint es manchmal so, als gehöre die Schweiz zu einem anderen Kontinent. Gerade in Sachen Popkultur schwappt nur sehr wenig über die Grenze und noch weniger in den Osten Österreichs bis nach Wien. Umso schöner, dass das Waves Vienna dieses Jahr Abhilfe schafft und die Schweiz als Fokusland auserkoren hat. Denn die dortige Musikszene kann sich durchaus sehen lassen, wie insbesondere auch die sechs eingeladenen Bands zeigen.

Annie Taylor

Annie Taylor (Foto: Monir Salihi)

Annie Edson Taylor war die erste Person, die sich in einem Fass die Niagarafälle hinunterstürzte – und überlebte. Das war 1901 und Annie Edson Taylor war 63 Jahre alt. Annie Taylor hingegen ist eine vierköpfige Schweizer Band, die dieses Jahr ihr zweites Studioalbum »Inner Smile« herausgebracht hat. Viel gemeinsam haben die beiden außer ihrem Namen also nicht. Von Grunge hat Annie Edson Taylor jedenfalls Anfang des vorigen Jahrhunderts noch nichts ahnen können. Für Annie Taylor hingegen liegt die Blütezeit von Grunge deutlich vor der Bandgründung 2016. Es mag also überraschen, dass auch ihr zweites Album noch immer so frisch und energetisch klingt, als wären Nirvana höchstens eine Vorband für Hole. Nicht zuletzt weil zu Grunge und Psychedelic Rock noch ein gehöriger Schluck slicker Pop in den Mixkessel gerutscht ist. 7. September, 22:15 Uhr, Metropol


Barbicop

Barbicop (Foto: Naima Stark & Dan Nieders)

Es gibt Musik, die hätte vor dem Internet nicht existieren können. Rein technisch nicht, weil der Zugang zu Know-how, Samples, Software und Kollaborationen noch nie so einfach war. Aber auch ästhetisch ist das Internet Geburtsort von musikalischen Strömungen, die so nur hier entstehen konnten. Ein Schlagwort, dass da gerade in den letzten Jahren durch die Musikmagazine – auch dieses – geisterte, ist Hyperpop. Jetzt ist es sicher eine Streitfrage, ob das, was Maddie Sandri als Barbicop fabriziert, in dieses Genre fällt. Dass es sich mit dem Sample-Recycling, den Pitch-Shifted -Vocals und den zuckersüßen Pop-Beats zumindest im Dunstkreis davon bewegt, scheint jedoch unbestreitbar. Vielleicht Dream-Hyperpop? Hyper-Dreampop? 9. September, 19:45 Uhr, Kramladen


Ikan Hyu

Ikan Hyu (Foto: Andrin Fretz)

Fast schade, dass das Waves Vienna im Herbst und nicht im Sommer stattfindet. Denn »Fringy Fringy« vom Duo Ikan Hyu wäre eigentlich der ideale Sommer-Rockhit. Nicht nur wegen des Videos, bei dem die beiden Musikerinnen mit E-Gitarre nicht ganz stromschlagsicher im fahrbar gemachten Swimmingpool abhängen. Auch der musikalische Vibe ist wie Strandurlaub mit Freund*innen, bei brütenden Temparaturen und mit kühlem Drink in der Hand: Vor lauter Hitze kannst du dich eigentlich kaum bewegen, aber trotzdem hast du die Zeit deines Lebens. Der stampfende Beat, die lässigen Gitarrenriffs und die Vocals, die so cool sind, dass sie schon fast faul wirken, fangen diese Stimmung exakt ein. Schon erstaunlich, wie groß der Sound der beiden ist. Less is more oder so. 7. September, 21 Uhr, The Loft Main Floor


Moira

Moira (Foto: Letizia Haessig)

»Global-Chanson-Pop mit Balkangewürzen« – die Selbstbezeichnung von Moira aka Carola Wirth trifft es recht gut. Pop-Melodien, Chanson-Stimme, Romani-Rhythmen. Das funktioniert auf Englisch und Französisch, schnell wie gemächlich. Und klingt, als hätte es irgendwie schon immer so zusammengehört. Auch wenn sich der genaue Mix von Track zu Track ändert, das Grundgerüst bleibt gleich und bietet einen unverkennbaren Sound, der – wenn den Live-Aufnahmen zu glauben ist – gerade auf der Bühne eine besondere Energie entwickelt. Vor allem ihre Single »Limonade« vom letztjährigen, komplett französischen Album »Île du bonheur« ist so beschwingt, dass da vermutlich kein Tanzbein unbewegt bleiben wird. 8. September, 20:30 Uhr, Metropoldi


Pina Palau

Pina Palau (Foto: Ella Mettler)

Sensibler Gitarrenpop von einer Singer-Songwriterin, die bildreich von den Höhen, Untiefen und Wirren des Alltags erzählt: Klingt in dieser Kurzbeschreibung wie ein Dutzend anderer Acts von aufstrebenden Jungkünstler*innen bis etablierten Sänger*innen mit Welterfolg. Pina Pilau sticht nichtsdestotrotz aus der Masse heraus. Die junge Schweizerin weiß nicht nur die Melancholie, sondern auch die Schönheit unserer Zeit besonders prägnant einzufangen. Sie überrascht auch mit ihren Arrangements – dank rockigerer Riffs und unkonventioneller Wendungen. Ihr Debütalbum »Illusion« ist letztes Jahr beim Label Mouthwatering Records erschienen und eröffnet ansatzlos mit Kuhglocken, chorischen Harmonien und der sehnsuchtsvollen Frage: »Can anybody hear me?« Yes we can. 9. September, 22 Uhr, Fanialive


Soft Loft

Soft Loft (Foto: Tatjana Rüegsegger)

Unaufgeregt ist vielleicht das erste Wort, das dir bei Soft Loft in den Sinn kommt. Das klingt jetzt – no na – wenig aufregend, ist aber nicht so gemeint. Denn, was Soft Loft auf die Bühne bringen, ist Musik zum Wohlfühlen. Ecken und Kanten sind da kaum zu finden, eher Konturen, Shapes und viele Vibes. Und ein Sog, der dich reinzieht, kuschelig einpackt und einfach nicht mehr loslässt. Eingängige Melodien, starke Stimme von Jorina Stamm und voller Sound von Sarina Schmid am Keyboard, Simon Boss an der Gitarre, Marius Meier am Bass und Lukas Kuprecht am Schlagzeug. Noch sind von Soft Loft erst eine Handvoll Tracks draußen. Wer also ein volles Set erleben und als eine*r der Ersten Teil des Schweizer Safe Spaces werden möchte, der*dem sei der Auftritt von Soft Loft am Waves Vienna wärmstens ans Herz gelegt. 9. September, 21 Uhr, Chelsea

Auch beim Konferenzteil von Waves Vienna 2023 im West Space wird die Schweizer Musikszene Thema sein. Am 7. September um 10 Uhr gibt es ein Panel zum Thema Schweizer Musikmarkt (Library 1) und um 15:15 Uhr das Networking-Event »Let’s CH-AT« (Institute 1; Anmeldung erforderlich). Am 8. September um 17 Uhr folgt ein Schweizer Business-Mixer (Studio). Und am 9. September um 14:30 Uhr schließlich eine Verkostung von Schweizer Käsen im Laden Der Schweizer (im Rahmen der Delegates Tour; Anmeldung erforderlich). Das Waves Vienna Festival selbst findet von 7. bis 9. September in diversen Konzertlokalen entlang des Wiener Gürtels statt.

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