Sex and the Lugner City: Ob du wirklich richtig stehst, siehst du, wenn das Licht angeht

Josef Jöchl artikuliert in seiner Kolumne ziemlich viele Feels. Dieses Mal zum Thema »Defining the Relationship« und warum es keine gute Idee ist, Entscheidungen aus dem Weg zu gehen.

© Ari Yehudit Richter

Wenn du einen neuen Job beginnst, gibt es immer eine Probezeit. Einen Monat lang hast du Zeit zu entscheiden, ob der Arbeits­weg, die Kaffee­situation und die Leute zu dir passen. Wenn nicht, kannst du ohne Weiteres gehen, Tür auf und Tschüss. Das ist gesetzlich so geregelt. Beim Dating ist das nicht so einfach. Wenn du jemanden kennenlernst, hast du ungefähr zwei oder drei Monate. Die Alltags­tauglichkeit der Öffis und des Kaffees hast du spätestens nach einer Woche gecheckt. Schwieriger ist es jedoch mit den Leuten. Kaum ist irgendein Wochen­end­trip ausgemacht oder ein Geburtstag in Reich­weite, brauchst du besondere Gründe, um aus der Nummer wieder raus­zukommen. Wenn nicht, wird es messy.

Aber du kannst eben nicht ewig in der Probezeit verweilen. Sonst kriegst du nie einen Thalia-Gutschein zum Fünf­jährigen – oder wie man die Meilen­steine in einer romantischen Beziehung sonst angemessen würdigt. Erst unlängst befand ich mich selbst in diesem rechtlichen Grau­bereich. Zwei­einhalb Monate hatte ich bereits mit einem potenziellen Partner angebandelt. Es sah gut aus. Doch je näher die Dead­line rückte, desto schwerer fiel mir zu entscheiden: Was machte ich hier eigentlich?

Define the Relationship

Deshalb war auch der Flow etwas ins Stocken geraten. Zwar gingen wir immer noch essen und danach in eine Bar, aber wir fragten uns dabei auch immer noch, wie lange wir schon wohnten, wo wir wohnten, wie unsere Geschwister hießen und was in unserer Kindheit schief­gelaufen war. Wir steckten in der Kennen­lern­phase fest. Meine notorische Entscheidungs­schwäche tat ihr Übriges dazu. Sie ließ mich schon einige Male vor dem Startscreen von Netflix, auf der Veganista-Theke und im Humanic auf der Mariahilfer erschöpft zusammen­brechen. Banale Dinge wie die Frage, ob ich zu Hause bleiben oder ausgehen soll, brachten mich regelmäßig fast um.

Sogar mein Blut ist unentschlossen und lässt sich universell spenden, weshalb meine Blut­körperchen niemals mit anderen verklumpen werden. Aber würde auch mein Körperchen als Ganzes niemals mit einem anderen verklumpen? Die Folgen könnten in beiden Fällen lebens­gefährlich sein. Ich nahm mir fix vor, eine klare Entscheidung zu treffen und in einem offenen Gespräch unseren Beziehungs­status zu klären: Situation­ship, Freund­schaft plus, Lebens­gemeinschaft, Freund­schaft, Kollegen oder doch Golden Handshake? Denn »Defining the Relationship« – kurz DTR – ist immer mit einer Ent­scheidung verbunden.

Am besten nur Ich-Botschaften

Wie ich das Gespräch angehen sollte, recherchierte ich im Internet. Es gibt dafür sogar ein eigenes Wikihow. Doch selbst unter präziser Anleitung hatte ich Schwierig­keiten, mich zu öffnen. Das mit den Ich-Botschaften bekam ich noch hin, aber beim Überlegen, was ich eigentlich möchte, wie ich es im Gespräch rüberbringe und wie er sich wohl fühle, schmiss es mich komplett auf. Als wir uns im Café Savoy trafen, fand ich es deshalb viel passender, kein schwieriges Gespräch zu führen, sondern statt­dessen sechs große Bier zu trinken. Als wir Stunden später in seiner Küche saßen, hatte ich noch immer kein Wort heraus­gebracht. Irgendwann fragte ich aber doch sehr zögerlich, was wir hier eigentlich aufführten, und begann im selben Moment detailreich abzuwägen, was für oder gegen eine Beziehung sprach, bis ich mich in absoluter Rat­losigkeit auflöste. Doch dann überraschte er mich. »Josef, du triffst dich seit drei Monaten mit mir. Du trinkst sechs Bier mit mir. Du steigst mit mir ins Taxi. Du kommst mit in meine Wohnung. Wenn du nicht hier sein willst: Da ist die Tür!« Ein absoluter Banger. Diese unmiss­verständliche Klarheit beein­druckende mich tief. In der Sekunde entschied ich, dass die Probe­zeit beendet und DTR erledigt war. Beim Einschlafen wunderte ich mich, warum ich mich überhaupt so angestellt hatte.

Ende der Probezeit

Erst ein paar Wochen später stellten wir gemeinsam fest, dass wir uns einander doch nicht dauerhaft verpflichten würden. Wir hörten auf, uns zu treffen, und es passte so. Wenn du einem DTR-Moment aus dem Weg gehst, holt er dich eben irgendwann ein. Du kannst dich halt nicht nicht entscheiden, in der Liebe und im Leben überhaupt. Wenn du an einem Samstag auf der Ring­straße mit Clowns­perücke und Österreich­fahne um die Schulter in eine Corona-Demo spazierst, kannst du schwer sagen: »Sorry, ich gehe hier ganz bestimmt auf keine Corona-Demo, ich spaziere hier nur völlig unabhängig von der Corona-Demo um mich herum mit Clowns­perücke und einer Österreich­fahne auf der Ring­straße.« Face it: Du warst trotzdem auf einer Corona-Demo.

Anderes Beispiel: Im Frühjahr wählt Europa. Wir alle können wieder mitentscheiden, wer den Eurovision Song Contest gewinnt. Wir sollten uns entscheiden, damit auch unsere Mit­menschen Klarheit haben. Haben wir allerdings ein kleines Issue mit mittel­mäßiger euro­päischer Popmusik oder Intimität und Angst vor Nähe, dann tun es andere für uns.

Josef Jöchl ist Comedian. Sein aktuelles Programm heißt »Die kleine Schwester von Nett«. Termine und mehr auf www.knosef.at. Per E-Mail ist Josef unter joechl@thegap.at zu erreichen, auf X (vormals Twitter) unter @knosef4lyfe.

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